Lisboa 2018

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Donnerstag, 24. März 2016

Tschechien steht wie ein Fels in der Pleitenbrandung

Was im Fußball Leverkusen ist, oder im Autobau Frankreich, ist beim ESC Tschechien. Das osteuropäische Land ist der mit Abstand unerfolgreichste Teilnehmer, den der ESC jemals gesehen hat. Bei bisher 4 Teilnahmen in den Jahren 2007- 2009 und 2015 wurde sage und schreibe 0 Mal das Finale erreicht. Das ist ein Wert, der selbst in San Marino schallendes Gelächter auslöst, da diese zumindest eine Finalteilnahme vorweißen können. Aber es kommt noch dicker. Sie wurden in ihrem Semifinale 2007 und 2009 Letzter, 2008 Vorletzter. Nur 2015 konnte sich das Land etwas stabilisieren und schied als 13. aus. 

Schon im letzten Jahr war es eine riesige Überraschung, dass Tschechien die Rückkehr zum ESC wagt. Im Land gibt es keine große ESC-Community und darüberhinaus waren die Einschaltquoten beim ESC sehr miserabel. Es ging sogar soweit, dass die Ausgabe 2014 gar nicht mehr in Tschechien ausgestrahlt wurde. 2015 kam dann also doch die Rückkehr mit 2 gestandenen Artisten, von denen man eine sogar in Deutschland kannte. Diese waren ja dann so erfolgreich, wie es bisher kein tschechischer Beitrag war, man muss es zynisch betrachten.

Wie auch 2015 entschied sich der Broadcaster für eine interne Bestimmung, die tschechische Musikbranche ist ja nicht so groß. Und man muss nicht immer alles so schwarz sehen, schließlich ist Tschechien auch Besitzer zweier unfassbarer Rekorde, ok es sind negative Rekorde. In den beiden Jahren 2007 und 2009 holten sie 1 bzw. 0 Punkte im Semifinale. Seit Einführung des zweiteiligen Semifinalsystems, sind das die beiden schlechtesten Punktzahlen, die es je gab. 

Im vergangenen Jahr hätte es Tschechien, wenn es nur nach den Zuschauern ginge, übrigens relativ locker ins Finale geschafft. Diesmal soll es auch mit den Jurys klappen.

hier ist der Beitrag aus Tschechien von Gabriela Gunčíková I stand


Die Frau mit den vielen Sonderzeichen im Namen, schauen wir uns erst einmal ihren Werdegang an. Die am 27.Juni 1993 geborene Tschechin, hat den heute typischen Karriereweg eingeschlagen: In jungen Jahren, in ihrem  Fall mit 18, an einer Castingshow teilnehmen und da möglichst gut abschneiden, in ihrem Fall Finalteilnahme. Sie zog es dann in die Vereinten Staaten, wo sie Gesang als erfolgreichste Absolventin einer privaten Musikuni abschloss. Danach zog es Gabriela wieder zurück nach Tschechien und jetzt vertritt sie ihr Land beim ESC. 

Das Lied beginnt mit ruhigen Klavierakkorden und ihrer Stimme, die sehr im Fokus steht. Der Refrain beginnt durch ein langgezogenes I. Das Lied wird auch durch den Einsatz der Streicher, des Schlagzeugs und des Gongs nicht wirklich unruhiger. Sie singt den zweiten Refrain deutlich lauter, was wahrscheinlich zunehmende Dramatik sein soll. Die Bridge ist auch zurückgeschraubt. Dann kommt ein Schrei und man erwacht kurz aus seinem Tagtraum. Aber genau dann ist das Lied schon vorbei.

International kommt das Lied sehr gut an, was denke ich daran liegt, dass man keine Erwartungen an Tschechien hatte und es dafür wirklich klasse Arbeit abgeliefert haben. Mir persönlich fällt auf, dass das Werk extrem uneinprägsam ist. Der Rhythmus im Vers ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Genau hier liegt das Problem, denn beim ESC geht es nicht um das musikalisch beste Lied. Nein, es geht um das Lied, das nach einmaligen Hören die Menschen so vor dem Bildschirm fesselt, dass sie dafür anrufen. Hier sehe ich das nicht. 

Diese Tatsachen erinnern stark an Edurne (Spanien 2015), die ebenfalls vor dem ESC hoch gelobt wurde.



Beide Songs könnten wunderbare Soundtracks für Dramas abgeben. Sie können Bilder unglaublich gut unterstützen, dramatisch gesehen. Aber es mangelt ihnen an Kraft, diese Stimmung selbst zu erzeugen. Wir sind uns alle einig, dass es ein herausragendes Lied ist, das wir alle irgendwie gut oder zumindest erträglich finden. Aber das ist genau die Ann-Sophie-Gedächtnis-Falle. Alle sagen ach ja ganz nett, aber keiner findet es so toll, dass er dafür anrufen würde.

Beim Staging ist viel möglich, praktisch zu viel, da man durch die vielen Möglichkeiten im Falle eines Misserfolgs, die Ausrede der Bühnenpräsentation vorschieben könnte. Ich würde zunächst einmal schauen, was sie für eine Ausstrahlung besitzt.



Ok.Dieser Auftritt ist 2 Jahre her, ihre Bühnenbeherschung war schon damals sagenhaft. Also bieten sich noch mehr Optionen. Ein kurzer Blick auf den Text: Sehr liebevoll und dankbar, das ist die Grundaussage. Ich stehe hier, weil du immer hinter mir standest und mich unterstützt hast. 

Da die Ballade dann doch relativ düster beginnt, wäre ich für eine Gewitterszene am Anfang im LED-Schirm mit Spot auf ihr. Das düstere Video wandelt sich dann langsam in eine wunderschöne Frühlingslandschaft mit Blümchen und allem drum und dran. Ein Kostümwechsel wäre hier dramaturgisch ebenfalls passend. So weit mein Konzept, aber wie gesagt, ist hier nahezu alles möglich.

Für Gabriela hab ich leider kaum gute Nachrichten. Ihr Problem ist, dass sie im ersten Semifinale startet. In diesem kämpfen meiner Meinung nach 16 der 18 Songs um den Einzug ins Finale. Dazu kommt die Tatsache, dass die Länder, die häufig Nachbarvotings bekommen haben, dieses Jahr schlechtere Lieder haben. Dadurch ist nicht klar, ob sie wie sonst auch immer durchkommen. 

Tschechien ist der einziger Kandidat, der eine Ballade zelebriert. Schnell kann das allerdings zum Toilletenpausen-Song werden. Die Performance wird in diesem Halbfinale eine unglaublich große Rolle spielen. Aber im Moment sehe ich Tschechien als 16 von 18 in meiner Meinung. Das hört sich wirklich schlecht an, aber es kann noch schlimmer kommen, denn Montenegro wird Balkanhilfe bekommen und könnte sie dadurch noch einkassieren. Ich habe die Hoffnung verloren, dass sie sich qualifizieren kann. Warum man ihr nicht einen Rocksong geschrieben hat, die sie dank ihrer Stimme sensationell singen kann, bleibt wohl ein gut gehütetes Geheimnis.

Also wird Tschechien aller Voraussicht nach weiter auf der Stelle treten.




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