Lisboa 2018

Lisboa 2018

Montag, 14. März 2016

Mit Vollgas gegen die montenegrinische Wand

Was ist logisch, wenn man bei einem Wettbewerb antritt, indem die Zuschauer als große Masse den Sieger küren? Natürlich ein Lied, dass die meisten Menschen packt, Nischenmusik eignet sich hierzu aber nicht. Eine Lektion, die ausgerechnet in Montenegro wohl nicht ganz verinnerlicht wurde. Montenegro versucht die Ausnahme der Regel zu werden, dass Rock beim ESC nicht funktioniert. Ein ambitioniertes Ziel, für den kleinen Balkanstaat.


Montenegro war ja schon Bestandteil von Jugoslawien und von Serbien-Montenegro. Wir betrachten nun einmal nur die Geschichte Montenegros als eigenen Staat. Das hat zur Folge, dass die erste Teilnahme sich auf das Jahr 2007 datieren lässt. In den Jahren 2010 und 2011 gönnte sich das Land eine finanzielle Pause. Montenegro nahm also bisher 7 Mal teil. Während die ersten Jahre sehr unerfolgreich liefen, konnte sich Montenegro in der jüngeren Vergangenheit zumindest einmal stabilisieren. 2015 war dabei das erfolgreichste Ergebnis aller Zeiten, mit einem 13.Platz von Knez. Allerdings ist das nicht so schwierig, bei bisher nur 2 Finalteilnahmen, ihm eingeschlossen. 
Der ESC Gott scheint dem Land auch eine Art Auftrag gegeben zu haben: Gibt mir Balkanpop, sonst sündigt ihr! Diese These wird vom Fakt unterstützt, dass Montenegro mit Balkanpop eine 100% Qualifikationsquote hat. Bei ausnahmslos allen anderen Musikstilen wie HipHop, Pop oder Rock besitzt Montenegro eine sagenhafte Qualifikationsquote von sage und schreibe 0%. 
Somit sollte der Auftrag für die Rundfunkanstalt RTCG klar sein. Ein Balkansong muss her. Dieser wäre beliebt bei jeglichen Nachbarn und bei guter Qualität, könnten sogar noch andere Länder dafür voten. Den ersten Schritt machte RTCG, da sie einen Interpreten und ein Lied selber bestimmen wollten. Die Tür war da. Allerdings haben sie es nicht geschafft, die Tür, welche man ziehen muss, aufzubekommen. Also der letzte Weg? Mit roher Gewalt dagegen drücken

Für Montenegro tritt dieses Jahr die Formation Highway an. Die 4-köpfige Männergruppe konnte bei X-Faktor Adria den 4. Platz erringen, allerdings noch zu 3. Die Urmitglieder heißen Peter Tošić, Marko Pešić und Luka Vojvodić. Nähere Infos zu den Dreien konnte ich nicht finden, aber immerhin das Alter von Marko und Luka. Nämlich 21, nach eigenen Angaben. Aber offenbar war die junge Truppe dem nationalen Fernsehen nicht erfahren genug und sie fügten noch eine 4. Person zur Gruppe hinzu. Nämlich Bojan Jovović. Der laut dieser Quelle 31-jährige besitzt die nötige ESC-Erfahrung, um die drei Kücken ruhig zu brüten und entwickeln zu lassen. 
2005 nahm er, damals noch für Serbien-Montenegro, mit der Gruppe No Name am ESC teil und konnte mit dem Lied Zauvijek moja einen 7. Platz einfahren.


Hier das Video seiner Teilnahme 2005


Hier unten der Beitrag Montenegros The Real Thing von Highway

Das ist definitiv kein Balkanpop und kein balkantypischer Song. Schon das Anfangsriff macht deutlich, dass wir es hier mit schwerem Rock zu tun haben. Die Verse sind sehr zurückgenommen, haben sogar was von Coldplay. Der Refrain eignet sich super zum Headbangen, hab leider nicht die geeigneten Haare dafür. Der nächste Vers ist durch einen deutlichen Cut vom Refrain abgetrennt und wieder sehr ruhig. Allerdings steigert es sich diesmal etwas früher und das Headbang-Thema erscheint erneut. Für eine Bridge reicht es zeitlich nicht mehr, so besitzt das Stück zwar keine Steigerung, aber es beginnt ja auch schon auf großer Höhe.

Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass wir hier eines der besten Lieder des Genres Heavy Metal hören, dass es beim ESC jemals gab. Bei einem der großen Festivals würden sie als No Names nicht untergehen, da das Stück wirklich klasse ist. Mir gefällt es sehr, obwohl ich eigentlich nicht viel mit dem Genre anfangen kann. Der Refrain bleibt im Kopf hängen und ich mache sofort die Headbang-Bewegung, ist das normal? 

Hier ist aber wie gesagt das Problem: Rock (Metal) funktioniert beim ESC nicht! Das Lied mag großen Anklang bei den Fans der Musikrichtung finden, dennoch bilden diese nur einen Bruchteil des allgemeinen Musikgeschmacks. Ein Poplied hat es da einfacher. Wenn ich einen bayrischen Schlager komponiere, werde ich bestimmt eine super Rückmeldung einiger hinterwäldlerischer Bayern bekommen. Die Deichkinder werden mich allerdings mit Schrotflinten jagen. So ähnlich ist es hier eben auch. Ansprechend für Leute, die die Musikrichtung ohnehin lieben, abturnend für Menschen mit  Mainstream Geschmack.

Ein weiteres Problem könnte die Livestimme darstellen, aber nicht auf Grund der Töne. Ihr Akzent ist extrem stark ausgeprägt, also das Englisch ist kaum verständlich. Natürlich passt das dann auch irgendwie wieder zu dem aggressiven Song, Osteuropäer und Vorurteile. Stimmlich auch nicht gerade glänzend sind sie bei diesem Auftritt.


In Stockholm erwartet und wohl eine ziemlich düstere Performance, mit sehr viel Stroboskop. Dunkle Gestalten und Tänzer, vielleicht ein paar Lasereinlagen. Meine persönliche Idee wäre ein leuchtender Handschuh. Dieser umfasst das Mikro im Ständer und dient als einzige Lichtquelle im Vers. Text ist inside you. Also in dir ist des Licht. Das wäre mal mein Vorschlag. Im Refrain dann jegliche Geschütze ausfahren, die Stockholm zu bieten hat. 


Die Zeichen der Zeit stehen gegen Montenegro, trotz super Lieds. Die Balkanhilfe aus Bosnien und Kroatien wird ebenfalls geringer ausfallen, als mit Balkanpop.Highway wird auf der Schnellstraße die Ausfahrt vor dem Finale nehmen und dadurch Zuschauer in eben diesem sein. Letzter wird man nicht, dafür werden die Nachbarn schon sorgen und San Marino ist ja auch in dem Halbfinale, aber sie sind mit Nischenmusik einfach nicht fähig, eine Mehrheit zu bedienen. Dadurch ist Montenegro einer der wenigen Beiträge, die man schon im Vorhinein vergessen kann.

Montenegro scheint aus den Fehlern der Vergangenheit einfach nicht zu lernen, warum setzen sie nicht einfach immer auf Balkanpop?! Sie haben damit nur  positive Erfahrung gemacht, mit Rock nur schlechte. Der ESC-Gott wird auch dieses Mal alles im Gleichgewicht halten und dafür sorgen, dass Montenegro ohne hörbare Heimatverbundenheit, das Finale nicht erreichen wird. Da hilft auch kein Beten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen