Lisboa 2018

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Donnerstag, 31. März 2016

Italien schickt Ware zweiter Wahl

Mamma Mia! Das Drama von Deutschland wiederholt sich dieses Jahr in Italien. Nur lösen diese es wesentlich cooler als ein gewisser Andreas Kümmert. Dieses Jahr geht nämlich die rote Laterne für die späteste Veröffentlichung des Beitrags nach Italien, herzlichen Glückwunsch! Nach langem hin und her entschied man sich für einen Interpreten und auch dafür, wie dessen Song nun aufgebaut sein wird.

Italien ist eines der Big-5-Länder im ESC, damit sind sie gegen einen höheren Geldbeitrag im Finale gesetzt. Der 2-fache ESC-Sieger (1964,1990) war eines der sieben Gründungsmitgliedern des ESC´s im Jahre 1956. Die Anekdote, wie der ESC überhaupt entstand, spare ich mir hierbei. Tatsache ist, dass das italienische Sanremo-Festival die Vorlage für den ESC war und auch immer noch ist. Die EBU kopierte also größtenteils eine nationale Idee, zu einer europäischen Idee. Bis heute ist in Italien das Sanremo-Festival deutlich wichtiger und beliebter, als der ESC.

Dieses Jahr feiert Italien also seine 43. Teilnahme, damit befindet es sich nur auf Platz 15 der meisten Teilnahmen. Das hat vor allem den Grund, das Italien zwischen den Jahren 1998 und 2010 dem ESC ferngeblieben ist, da die Einschaltquoten nicht mehr stimmten und man das Sanremo-Festival stärken wollte. Seit der Rückkehr 2011 hat sich Italien als konstantestes Big-5-Land gezeigt. Bei diesen 5 Teilnahmen gab es 4 Top-10-Plätze und außerdem 2 Podestplätze, 2011 2. und 2015 3. Das sind Statistiken, von denen Großbritannien nur Träumen könnte.

In Italien ist das Sanremo-Festival ein großes Spektakel mit riesigem Medieninteresse. Um einen weiteren Anreiz für die Künstler zu setzen, darf der Sieger dieses Festivals, Italien beim ESC vertreten. Darf ist aber ein sehr schwaches Wort und so kam es schon öfters vor, dass der Sieger keinen Bock auf den ESC hatte. In diesen Fällen nominierte RAI intern einen Interpreten aus. Dieses Jahr war es einmal wieder so weit.

Das Finale des Sanremo-Festival fand dieses Jahr am 14.02.16 statt und ging bis tief in die römische Nacht hinein. Insgesamt traten 16 Acts gegen einander an, quälend lang waren allerdings die Pausen dazwischen. Als dann noch bekanntgegeben wurde, dass es ein Superfinale gibt, war ich kurz vor der Explosion. Zum Glück sangen die drei Superfinalisten nicht erneut. Kurz und schmerzlos, also das genaue Gegenteil von Sanremo, ist hier das Ergebnis. Es gewann die schon senile Männertruppe Stadio mit dem Lied "Un giorno mi dirai", dass sich gegen die junge Castinggeneration durchsetzten konnte. Das Video gibt es nur auf Dailymotion und zwar hier.

Dieser dunkle Sprechgesangsbeitrag gefiel der dunklen italienischen Seele wohl sehr und so kam es zum Sieg. Der Sieger ist weder ein musikalisches Meisterwerk, noch im 21. Jahrhundert zeitgemäß, also genau das richtige für das Sanremo-Festival. Die alten Herren feierten ausgelassen auf der Bühne und die ESC-Welt war durchaus etwas geschockt. Der Schock wurde aber noch auf der anschließenden Pressekonferenz vergrößert, da Stadio sofort verkündeten, dass sie mit dem ESC nichts am Hut haben wollen. Sie hätten eine Tournee zu dem Zeitpunkt und das gehe natürlich vor! Naja...

Die RAI stand nun natürlich vor der Frage, wer denn nun nach Stockholm fahren sollte. Den folgenden Monat fasse ich nun mal schnell zusammen. Relativ schnell wurde klar, dass die Zweitplatzierte nachrücken sollte. Diese akzeptierte sofort, konnte sich dann aber nicht schnell entscheiden, ob sie ihren Sanremo-Beitrag singen soll. Am Ende entschied sie sich dafür. Aber auf Englisch oder auf Italienisch und wie soll das Lied auf die 3 Minuten gekürzt werden? Diese Fragen beschäftigten die Italiener wohl so lange, dass erst am 25.03.16 die finale Version veröffentlicht wurde.

Hier der italienische Beitrag für den ESC 2016 von Francesca Michielin - no degree of seperation



In Sanremo startete die 21-jährige Castingshowgewinnerin von der unglücklichen Startnummer Uno und schaffte es dennoch auf Platz 2,  was auch an ihrer Fanbase liegen könnte. Nach ihrem Gewinn bei X-Factor gelang der Bassistin 3 Nummer 1 Hits in Italien, ihr ESC-Beitrag ist einer davon. Außerhalb Italiens kann sie nur eine Chartplatzierung in der Schweiz aufweisen.

Ihr Team und sie entschieden sich für einen sprachlichen Kompromiss bei ihrem Beitrag. Das Lied wird bis auf den zweiten Refrain komplett auf italienisch gesungen. In Sanremo sang sie noch alles auf italienisch, was sich so anhörte

Es beginnt mit einer Pianobegleitung und ihrer Stimme. Während des gesamten Liedes bleibt diese beruhigende und träumerische Stimmung erhalten. Im Refrain setzt ein klarer Beat ein, der ihn deutlich vom Vers abgrenzt. Im zweiten Vers erhöht sich ihre Stimme etwas und dadurch kommt ihre Muttersprache deutlich klarer heraus. Darauf folgt der englische Teil, dessen Vokabular sehr ähnlich mit dem italienischen ist. Die Bridge ist eine Steigerung, die in einen Refrain mit Koloraturen mündet. Dann ist schon alles vorbei. 

Wie immer werde ich total subjektiv bewerten, aber bei Italien fällt mir das besonders schwer. Die Sprache ist einfach so schön, sooooo schön!!! Aber ich gebe mein Bestes.

Für mich persönlich fällt das Lied etwas flach aus. Es herrscht kaum Bewegung oder Veränderung, es wirkt eher wie ein Tagtraum, der durch das Aufwecken ziemlich abrupt beendet wird. Wenn der Song nicht auf italienisch wäre, würde ich sie auf einen der letzten Plätze im Finale setzen, aber diese Sprache muss man einfach lieben. Der Vorteil an italienisch ist eben, dass dadurch etwas Spannung aufgebaut werden kann, bei Schnulzen wirkt es romantisch. Trotz dieses Heimvorteils fehlt diesem Beitrag das besonderen. 2011 schickte Italien Jazz, 2012 die italienische Amy Whinehouse, 2013 eine Schnulze aus dem Lehrbuch, 2014 eine Rocknummer und 2015 das sensationelle Operntriplett.

Bei der Inszenierung gibt es keine genauen Vorgaben, da das Lied durch seine Gefälligkeit eigentlich alle Showkonzepte offen hält. Eine übertriebene würde jedoch etwas von dem Zauber der Sprache nehmen. Im Video verschönert sie ihre Umgebung mit einigen Zeichnungen, von daher wäre eine futuristische, kreative Show mein favorisiertes Konzept. Aber wie gesagt, es kann alles passieren.

Für mich persönlich ist 2016 Italiens schwächtes Jahr seit der Rückkehr. Die Top-10 dürften auch mit guter Show unerreichbar sein, die Top-15 bei guter dagegen schon. Dieses unauffällige Lied wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit bei den Jury´s deutlich besser ankommen. Im Televote wird es zwischen den ganzen Popsongs untergehen und die Balladen klauen ihr die Stimmen von den Zuhörern, die eher auf ruhigere Gewässer stehen. Ich möchte nichts verschreien, aber wir haben letztes Jahr gesehen, was passiert, wenn man Zweitplatzierte zum ESC schickt und ich befürchte, dass genau das mit Italien passieren könnte. Leider. 


Montag, 28. März 2016

Australien IM ESC-Fieber

Die EBU macht es sich auch wirklich nicht einfach. Nachdem im letzen Jahr schon viele stolze Europäer gegen die Teilnahme Australiens protestiert und gehetzt haben, entschied sich die EBU nun, Australien wieder teilnehmen zu lassen. Jon Ola Sand, der Supervisor der EBU und damit Hauptverantwortlicher für den ESC, sprach 2015 noch von einem einmaligen Einladen eines Gastes anlässlich des 60. Geburtstags des ESC´s. Nun darf Australien erneut teilnehmen, aber ohne besondere Begründung. Ich selbst bin ein großer Befürworter der Partizipation Australiens, finde es aber schade, dass die EBU keine Ehrlichkeit an den Tag legt. Warum sagen sie nicht einfach, dass die Teilnahme Australiens mehr Geld in die Kassen schüttet und der ESC keine rein europäische Veranstaltung ist (Eurovision ist ungleich European)? Für mich steht Eurovision gerade für das Kennenlernen verschiedener Kulturen. Der Großteil der Australier stammt doch aus Europa und es ist doch spannend zu sehen, was sich kulturell in einer so geringen Zeitspanne verändert hat.

Wie dem auch sei, Australien nimmt erneut teil und daran kann für 2016 niemand mehr etwas ändern. Das könnte allerdings durchaus die letzte Teilnahme sein, da die EBU die Rechte für einen ostasiatischen ESC an SBS, der australische Rundfunkkanal, verkauft oder vergeben hat. Damit gibt es höchstwahrscheinlich den ersten ostasiatischen EASC(?) 2017. Je nach dem, ob dieser Erfolg bringt, was ich nicht erwarte, baut sich Australien sein eigenes ESC-Universum auf. Sollte dieser Versuch scheitern, werden sie wieder beim ESC auftreten, das ist sicher.

Die Geschichte beim ESC beginnt nicht erst 2015, sondern schon 1974. Seit diesem Jahr überträgt Australien den ESC live zu Frühstückszeiten. Über die Jahre baute sich eine große Fangruppe auf, die den ESC immer mit Spannung verfolgten und damit die Einschaltquoten in die Höhe trieben. Das kam dann soweit, dass SBS schon Mitte der 2010-er um Erlaubnis bat antreten zu dürfen, da das Mitfiebern ohne eigenen Act doch etwas gelitten hat. Zunächst quittierte man die Pläne, doch über die Jahre wurde Australien öfters genannt, so zum Beispiel 2011, bei der Anmoderation von Anke Engelke. Nun erkannte aber auch die EBU, dass der australische Markt noch viel Platz zur Expansion bot. So trat Australien 2014 als Interval-Act in Kopenhagen auf und nun hatten die Australier Blut geleckt. Die Mauern der EBU konnten diesem nicht mehr Stand halten und so wurde beschlossen, dass Australien mit Sonderrechten teilnehmen durfte.

Diese Sonderrechte bestanden darin, dass Australien im Finale gesetzt war und Stimmrecht in bedien Semifinals besaß, da muss SBS mit Geld nachgeholfen haben. Für 2016 haben sich die Regeln etwas geändert. Nun muss man ebenfalls im Semifinale antreten und ist nur noch in ihrem Semifinale und natürlich im Finale stimmberechtigt.

Australien wollte bei seiner Premiere 2015 kein Risiko eingehen und so wurde Guy Sebastian intern mit Lied bestimmt, dass mit dem 5. Platz und fast 200 Punkten belohnt wurde. Für 2016 dachte man sich, dass man nichts an dieser Methode ändern sollte und so wurde auch 2016 intern ausgesucht.

hier der Beitrag aus Australien für den ESC 2016 von Dami Im Sound of silence:


Die 27-jährige zog erst mit 9 Jahren nach Australien. Geboren wurde sie in Südkorea, was nur marginal an ihrem Gesicht zu erkennen ist. Klischeehafter Weise spielt sie Klavier und lernte durch englische Popsongs die Sprache ihrer neuen Heimat. Wie so oft heutzutage erreichte sie durch die Castingshow The X Factor große Bekanntheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Teilnehmern nahm sie allerdings nicht nur teil, sondern gewann das Format auch 2013.Danach wurde es etwas ruhiger um sie, bis eben zu jenem Datum 2016, als SBS bekannt gab, dass sie Australien vertreten würde. Die Hoffnung auf Sia wurde dadurch natürlich zerstört.

Das Lied beginnt mit einem tiefen Beat im Herzrhythmus, wunderschrecklich klischeehaft. Sie beginnt nur mit diesem Beat und den Streichern den ersten Vers, das alles sehr ruhig. Im Prechorus steigert sich das Lied immer mehr und im Refrain haben wir eine klassische Midtempo-Ballade. Ein typisches Lied, ohne besondere Eigenschaften, genau der aktuell erfolgreiche Nerv. Eine wirkliche Steigerung bleibt bis auf einen Schrei im letzten Refrain weitestgehend aus. 

Ein solider Beitrag, der sehr gut produziert ist. Man muss aber knallhart sagen, dass man sich deutlich mehr von Australien erwartet hat, als diesen Track. Dami´s Song kommt nicht aus sich heraus, hat keine wirklich einprägsame Hook und lyrisch gesehen, ist es auch an manchen Stellen grenzwertig (Trying to feel your love through face time).

Natürlich ist das kein schlechter Beitrag, die Messlatte ist aber wegen 2015 und der Tatsache, dass es hier um Australien geht, unfassbar hoch gelegt. Man muss aber genau so klar sagen, dass Dami und ihr Team die Erwartungen bei Weitem nicht erfüllt haben. Das einzige, was wirklich die Erwartungen erreicht hat, ist das Video, welches wirklich gut anzusehen ist.

In Stockholm würde ich einige Elemente aus dem Video übernehmen. Vor allem die kalte Belichtung und die farblose Kleiderwahl finde ich persönlich sehr passend zum Songtitel. Auch die Nebeleffekte und der Tänzer könnten Hinweise auf Stockholm bieten. Bei ihrem Lied darf nur nicht zu viel auf der Bühne geschehen, um zu vermeiden, dass der Eindruck entsteht, dass man vom Lied ablenken möchte. Aber genau das muss die Performance schaffen, um eine gute Platzierung zu erreichen und hier liegt eben der schmale Grad. Dezentes Kleid, Nebel und einen Tänzer, mehr sollte nicht auf der Bühne geschehen. 

Australien wird sich für das Finale qualifizieren. Sie sind im schwächeren Semifinale und verdammt nochmal es ist Australien, wer liebt es nicht? Der Erfolg von Guy Sebastian ist jedoch in weite Ferne gerückt, dass Lied ist dafür einfach zu schwach. Ein Platz in den Top-15 sollte aber mit einer soliden Show IM Rahmen des Möglichen sein.

Kleiner Nachtrag: In einem kleinen Vorgeschmack auf die Postkarten, die vor jedem Beitrag gezeigt werden, um die Umbaupausen zu überbrücken, posiert sie mit einem Koala. Also wenn es musikalisch nicht reicht, wird in Australien keine nackte Haut gezeigt (*hust Weißrussland *hust), sondern auf süße Koalas gesetzt.

Sonntag, 27. März 2016

Aserbaidschan erzwingt das Wunder

Manches im Leben ist einfach unfair. Manchen fliegt alles einfach nur so zu und andere können selbst unter größter Anstrengung nur mittelmäßige Erfolge feiern. Manche schaffen selbst mit einer schlechten Leistung ein passables Endergebnis, während andere einen starken Einsatz zeigen, aber die Lorbeeren eben schon weggepflückt wurden. Den wohl größten Gegensatz im ESC-Universum bilden wohl Aserbaidschan und Portugal, deren Ausbeute beim ESC unterschiedlicher kaum sein könnten. Was in Aserbaidschan schon als Enttäuschung gilt, würde in Portugal als neuer Nationalfeiertag vergöttert werden. Nachdem sich Portugal erneut vor dem ESC in Schweden drückt, (Das 3. Mal in Folge - Was hat Portugal gegen Schweden?!) kann man für dieses Jahr nicht den Vergleich zu Aserbaidschan ziehen. Aber Aserbaidschan bleibt uns erhalten - und vielleicht sehen wir uns selber 2017 erneut in Baku. 

Aserbaidschan ist der jüngste Kaukasusstaat, der beim ESC teilnimmt. Nach Armenien (2006) und Georgien (2007) fand Aserbaidschan im Jahre 2008 den Weg zur größten Musikshow des Universums. Kurz, aber schön. So kann man die bisherige Historie Aserbaidschans beim ESC beschreiben. Bei 8 Teilnahmen wurde 8 Mal das Finale erreicht, es gehört also auch zu den 100%-Qualifikationsüberlebenden. 6 davon endeten in den Top-10 und seit dem Jahr 2013 hat das Land auch den kompletten Medaillen-Satz errungen, mit der bronzenen 2009, silbernen 2013 und natürlich der goldenen 2011. Die Holzmedaille wurde 2011 erreicht, 2009 der fünfte Platz. Aber in den letzten beiden Jahren kann man für aserbaidschanische Verhältnisse, von einer Krise sprechen. Nur die Plätze 22 und 12 sind ein starker Leistungseinbruch, der die Interpreten bei der heimischen Ankunft um einen Kopf kürzer machen. Somit sollte man dieses Jahr, um das Ruder rumzureißen, einen gestandenen Act verpflichten, der nicht wie 2014 bei der stimmlichen Liveperformance einen Totalausfall erlebt. Denkste...

Die bisherigen Bestimmunsmodelle des eher diktatorisch geprägten Lands, sind überraschend demokratisch. Mit den Ausnahmen der Jahre 2009 und 2015 wurde immer ein nationaler Vorentscheid veranstaltet. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, da es Castingsshows waren, also nicht explizit auf den ESC ausgerichtet waren. Das hatte oft zu Folge, dass der Act zwar gewählt wurde, aber das Lied intern bestimmt wurde. Aserbaidschan ist auch ein Land, das sehr schnell kapiert hat, dass nationaler Sprachstolz und Erfolg nicht unbedingt verknüpfbar sind, daher haben sie bisher nur in Englisch gesungen. 

In den Jahren 2014 und 2015 versuchte man ähnlich zu 2012 dem Song einen kaukasischen Touch zu verleihen. Das scheiterte aber auf Grund der Platzierungen deutlich. Also nun 2016, was machen sie? Sehr sehr lange war überhaupt nichts zu hören und man machte sich schon Sorgen, dass nun auf den letzten Drücker ein Act gesucht wird. Als der Song schließlich veröffentlicht wurde verstummten jedoch alle Kritiker sofort und rannten zur nächsten Wettbar, um dafür eine Wette abzuschließen. 

Hier ist der Beitrag von Səmra Rɘhimli Miracle, der Aserbaidschan 2016 beim ESC vertreten wird.


Wie immer zunächst zur Interpretin. 1994 wurde sie in Baku geboren. Bereits mit 16 Jährchen wollte sie ihr Land beim ESC vertreten, scheiterte aber 2012 im Vorentscheid. Im Jahre 2015 erschien sie wieder in den Schlagzeilen, als sie das Viertelfinale von The voice of turkey erreichte. Offenbar reichte das den hohen Tieren in Aserbaidschan, um sie zu nominieren. Weitere spannende Fakten sind, dass sie verrückt nach ihrem Hund ist und es hasst, ihre Haare zu schneiden und sie deshalb so lang sind. Die moderne Erfindung des Frisörs hat den Weg nach Baku wohl noch nicht gefunden. In ihren jungen Jahren ist scheinbar noch nicht die Zeit da gewesen, eine offizielle Homepage einzurichten. Daher sind alle Infos entweder von Wikipedia oder eurovision.tv. 

Laut eigener Aussage geht es in dem Lied, um ein starkes Mädchen, dass sich aus ihrer Beziehung entreißt. Der Titel Miracle ist meiner Meinung nach daher etwas unglücklich gewählt, da man sofort ein Happy-End assoziiert. Aber nun zum musikalischen Teil.

Zu Beginn des Verses sind die Schlagzeugeinwürfe eindeutig von Sia geklaut. Das Lied baut sich dann langsam auf und rutscht in die R&B-Ecke. Der Refrain ist typisch für des Genre des Schwedenpops, aber auch unglaublich effektvoll. Ihre Stimme kommt vor allem in den Versen sehr gut heraus, ehe man sich versieht, befindet man sich schon mitten im zweiten Refrain. Die Bridge ist ein perfekter Ohrwurm, auch wenn es etwas unkreativ wirkt. Im letzten Refrain hätte ich mir ein paar mehr Koloraturen von ihr gewünscht, die den dritten Refrain eine noch wuchtigere Erscheinung geben würden.

Das Experiment Heimatverbundenheit in den Beiträgen ist gescheitert und Aserbaidschan macht wieder das, was sie am besten können. Inhaltslosen Pop, geschrieben von Schweden. Diese Taktik könnte man wirklich zerreißen, wenn sie nicht so unglaublich erfolgreich wäre. Das Lied kann ohne Probleme in allen Radiostationen laufen und niemanden käme auch nur in den Sinn, dass es vom ESC und aus Aserbaidschan stammt. Stimmlich macht sie in der Studioversion einen unfassbar guten Eindruck. Auf der Bühne sieht das so aus. 


Ihre Stimme ist wirklich sehr kraftvoll, aber die Töne liegen dann doch manchmal nicht da, wo sie sie vermutet. Beim ESC hat sie ja viele Probedurchgänge und einen mörderischen Ambitus bietet dieser Song auch nicht. Die Background-Stimmen werden sie ja auch zusätzlich unterstützen und dann sollte das alles kein zu großes Problem werden.

Für die Performance wünsche ich mir etwas deutlich spannenderes als das Video, dass wirklich nach schnell schnell aussieht. Sie spielt gerne mit der Kamera und das ist logischerweise ein Vorteil in Stockholm. Nichtsdestotrotz würde ich auf jeden Fall auf Tänzer und Pyrotechnik zurückgreifen, einfach um diesen kraftvollen Refrain zu unterstützen. In den Versen sollte diese Aktivität dann doch etwas zurückgenommen werden, vor allem im ersten, da dann der Effekt im Refrain größer und bombastischer wird. Aber hier reicht ein solch simples Staging schon aus, aber da wir hier von Aserbaidschan reden kann ich fast schon versprechen, dass ihnen noch irgendeine übertriebene Idee einfällt.

Sie ist eine der ganz wenigen Acts, die ich im ersten Semifinale als bereits qualifiziert sehe, selbst wenn ihre Bühnenpräsentation schrecklich wäre. Das Lied ist schlicht weg zu gut, um schlecht abzuschneiden. Nach diesem Grundsatz wird Aserbaidschan im Finale in die Top-10 kommen, ich schätze sogar in die Top-5. Wenn aber einmal mehr (bestätigt ist nichts) Stimmen aus Malta, Zypern oder Tschechien gekauft werden, dann kann das auch ganz schnell ganz vorne landen. Aber egal wie gut ein Song aus Aserbaidschan auch ist, nur ein Wunder würde dafür sorgen, dass sie aus Armenien Punkte bekämen. 

Freitag, 25. März 2016

Maltesische Halbgöttin kehrt zurück

Den Ruf als Chaosland hat dieses Jahr Malta aus Deutschland geerbt. 2015 erschütterte ja die ESC-Welt das Kümmert-Gate und es war klar, dass es auch in diesem Jahr ein Land geben muss, in dem es drunter und drüber gehen wird. Das es ausgerechnet Malta trifft war eher überraschend, da die letzten Jahre sehr gesittet in Malta über die Bühne gingen. Dieses Jahr haben es selbst Länder wie Weißrussland oder Moldawien souveräner gelöst, obwohl bei Letzteren der Verdacht der Schiebung im Raume steht. Aber nun ist es doch Malta geworden und ich versuche die stürmischen letzen Monate zusammenzufassen:

Das Land Malta nahm erstmals 1971 am ESC teil und wurde gleich mit dem letzten Platz begrüßt. Das wird bestimmt besser, dachten sich wohl die Malteser und so nahmen sie im Folgejahr erneut teil, um erneut den letzten Platz zu erreichen. Nach einem weiteren fehlgeschlagenen Versuch 1975 entschied sich der kleine Inselstaat bis ins Jahr 1991 zu schmollen, also nicht mehr teilzunehmen. Seit diesem Jahre nahm das Land aber ununterbrochen jedes Jahr teil, konnte also in den frühen 2000ern die Durchschnitts-Quali immer überstehen. Malta nimmt 2016 zum insgesamt 29. Mal teil und wird versuchen, die mittelmäßigen letzten Jahre vergessen zu machen. Bei den letzten 10 Teilnahmen wurde insgesamt nur 5 Mal das Final erreicht. In diesem gab es dann immer einen 20+ Platz, mit der Ausnahme von 2013, als Gianluca den 8. Platz erreichte. Die besten Platzierungen stammen aus den Jahren 2002 und 2005 mit dem Vizetitel, der beim ESC allerdings genauso viel Wert ist, wie eine Anlage in Griechenland. 

Bisher wurde jeder maltesische Vertreter in einem Vorentscheid bestimmt und so sah es auch dieses Jahr aus. Am 23.1.16 fand das Finale mit insgesamt 14 Interpreten statt, die aus einem 20-Act großen Halbfinalfeld übrig blieben. Die große Favoritin in diesem Feld hieß Ira Losco, zu ihr später mehr. Hier eine kleine Auswahl meiner Favoriten, die spätere Siegerin war in meiner Wertung nur auf Platz 7.


Brooke wurde am Ende 2.


Maxim Pace belegte den 5. Platz


Corazon wurde nur mit dem 8.Platz belohnt


Generell war das Starterfeld in Malta einmal mehr excellent aufgestellt, auch wenn es nicht so stark war wie 2015. Am Ende setzte sich die also schon ESC vorbelastete Ira durch, sie wurde vom Publikum wie ein übermenschliches Wesen gefeiert. Genau das hat dann auch zum Sieg geführt, denn die Juroren wären vom Publikum zerfleischt worden, hätte Ira die Halle nicht als strahlende Siegerin verlassen. In meiner Live-Bewertung schrieb ich übrigens, dass sie wie die junge Cher aussähe. Diesen Eindruck habe ich bis jetzt noch. Also ihr Lied Chameleon gewann den MESC und hörte sich so an:

 

Joa. Das war meine Reaktion auf diesen Beitrag, ein einfaches Joa. Es tut niemanden weh, ist aber nicht auf Dauer schön. Ira´s Bühnenausstrahlung ist ja ganz toll, aber das Lied ist eben...joa. Warum die Halle so zu einem mittelprächtigen Lied abgeht, wissen nur die Zeugen vor Ort. Ecstasy würde ich tippen. Naja, wenn es das gewesen wäre, aber nein. Malta hielt noch ein paar Überraschungen offen. Aber bevor ich anfange, erst einmal kurz zur Persona Ira Losco.

Die 31. Juli 1981 geborene bekannte Sängerin, wuchs in einer 13,000 Einwohner Gemeinde auf. Schon im Jahre 2000 nahm Ira am Vorentscheid zum ESC teil und scheiterte grandios. Allerdings gelang ihr schon 2002 die Wende und sie durfte Malta vertreten. Na, erinnern wir uns? 2002 belegte Malta den 2. Platz, also die bis dahin beste Platzierung.



Nun also die Rückkehr zum ESC, aber wo bleibt das versprochene Drama? Das beginnt jetzt. Ira´s Team sah nämlich an den Reaktion der Fans in der ganzen Welt, dass das Lied nicht gut ankam. Ira wurde an allen Ecken und Enden gelobt, besonders für die doch überzeugende Stimme, aber das Lied hatte einfach keinen Wiedererkennungswert. Die Steigerung, die im Song mit Streichern erzeugt werden soll, scheitert vollkommen. So sah sich Ira gezwungen zu handeln, wenn sie keine Watschen kassieren wollte. 

Man muss ihr wirklich zu gute halten, dass sie nicht stur an sich geglaubt hat, sondern die Kritik gehört hat und auch danach handelte. Auf dem offiziellen Kanal wurde nur Ira als Gewinnerin benannt gegeben, von ihrem Lied war weit und breit nichts zu sehen von offizieller Seite. Spätestens da wurde klar, dass Ira nur sehr ungern mit Chameleon beim ESC starten würde. Manche stellten daraufhin den Vorentscheid in Frage, worauf sich der Sender gleich meldete und bekannt gab, dass nur der Interpret beim MESC ermittelt wird. So argumentierte der Sender davor noch nicht. 

Nach und nach sickerte dann die Meldung durch, dass sich Ira zwischen 9 neuen Songs und einer bearbeiteten Version entscheiden solle. Ende März, also 2 Monate nach Beginn von diesem hin un her steht nun der maltesische Beitrag fest: WOW, also walk on water.

Hier also der Beitrag von Ira Losco walk on water, der Malta vertreten wird.



Zum Video äußere ich mich nur kurz. Sehr viele Kleidwechsel und schöne Landschaftsaufnahmen, Hinweise auf die Bühnenshow beim ESC finde ich allerdings keine. Schon beim Beginn des Lieds erwartet man einen Dancesong. Der Vers fällt sehr ruhig aus, aber die Spannungskurve in diesem Lied ist sensationell gut. Die harten Akkorde münden in einen kräftigen, aggressiven Refrain, der aus 3 Worten besteht. In der Bridge hat sie noch einen Gospelchor hinter sich. 

Also kurz zusammengefasst: Ira hat alles richtig gemacht und sich von einem schwachen zu einem durchaus sensationellen Lied gesteigert. Das Lied kommt praktisch überall gut an und wird zu einem großen Hit des Euroclubs werden, wie so viele Lieder in diesem Jahrgang. 

Besonders Menschen die das Melodifestivalen verfolgen, fällt aber auf, dass Ira´s Song sehr an eine junge schwedische Dame angelehnt ist. Molly Petterson Hammar heißt die erst 20-jährige und sie ist eine Schreiberin des Songs und hat völlig stur, ihre typische Musik Ira zur Verfügung gestellt. Ähnlichkeiten zu ihrem Melodifestivalen Beitrag von 2015 sind nicht von der Hand zu weisen.




In Schweden erhoffe ich mir eine lebhafte, kurzweilige Performance mit vielen Tänzern. Mit dem Element Wasser könnte man ebenfalls spielen, dann aber darauf des Hauptaugenmerk legen. In einer großen Wanne auf der Bühne plantschen links und rechts von ihr zwei Tänzer im Wasser und sie läuft dank unsichtbarer Plattform, tatsächlich auf dem Wasser. Ob sowas realisierbar ist, weiß ich nicht, aber es wäre auf jeden Fall eine gute Idee. Sie startet ja auch im Mordsemifinale und muss um den Einzug ins Finale kämpfen und da können unkonventionelle Ideen helfen, aber genauso gut alles kaputt machen.

Malta hat sich trotz extrem anstrengender Wochen, richtig entschieden. Ira wird mit ziemlicher Sicherheit nicht an ihren Erfolg von 2002 anknüpfen können, dafür ist die Konkurrenz zu stark. Chancen aufs Finale sind durchaus vorhanden, aber wie so oft dieses Jahr, steht und fällt der Platz mit der Performance und der Live-Stimme. Im Vergleich zu den anderen Studioversionen gehe ich im Moment von einer Qualifizierung aus.


Donnerstag, 24. März 2016

Tschechien steht wie ein Fels in der Pleitenbrandung

Was im Fußball Leverkusen ist, oder im Autobau Frankreich, ist beim ESC Tschechien. Das osteuropäische Land ist der mit Abstand unerfolgreichste Teilnehmer, den der ESC jemals gesehen hat. Bei bisher 4 Teilnahmen in den Jahren 2007- 2009 und 2015 wurde sage und schreibe 0 Mal das Finale erreicht. Das ist ein Wert, der selbst in San Marino schallendes Gelächter auslöst, da diese zumindest eine Finalteilnahme vorweißen können. Aber es kommt noch dicker. Sie wurden in ihrem Semifinale 2007 und 2009 Letzter, 2008 Vorletzter. Nur 2015 konnte sich das Land etwas stabilisieren und schied als 13. aus. 

Schon im letzten Jahr war es eine riesige Überraschung, dass Tschechien die Rückkehr zum ESC wagt. Im Land gibt es keine große ESC-Community und darüberhinaus waren die Einschaltquoten beim ESC sehr miserabel. Es ging sogar soweit, dass die Ausgabe 2014 gar nicht mehr in Tschechien ausgestrahlt wurde. 2015 kam dann also doch die Rückkehr mit 2 gestandenen Artisten, von denen man eine sogar in Deutschland kannte. Diese waren ja dann so erfolgreich, wie es bisher kein tschechischer Beitrag war, man muss es zynisch betrachten.

Wie auch 2015 entschied sich der Broadcaster für eine interne Bestimmung, die tschechische Musikbranche ist ja nicht so groß. Und man muss nicht immer alles so schwarz sehen, schließlich ist Tschechien auch Besitzer zweier unfassbarer Rekorde, ok es sind negative Rekorde. In den beiden Jahren 2007 und 2009 holten sie 1 bzw. 0 Punkte im Semifinale. Seit Einführung des zweiteiligen Semifinalsystems, sind das die beiden schlechtesten Punktzahlen, die es je gab. 

Im vergangenen Jahr hätte es Tschechien, wenn es nur nach den Zuschauern ginge, übrigens relativ locker ins Finale geschafft. Diesmal soll es auch mit den Jurys klappen.

hier ist der Beitrag aus Tschechien von Gabriela Gunčíková I stand


Die Frau mit den vielen Sonderzeichen im Namen, schauen wir uns erst einmal ihren Werdegang an. Die am 27.Juni 1993 geborene Tschechin, hat den heute typischen Karriereweg eingeschlagen: In jungen Jahren, in ihrem  Fall mit 18, an einer Castingshow teilnehmen und da möglichst gut abschneiden, in ihrem Fall Finalteilnahme. Sie zog es dann in die Vereinten Staaten, wo sie Gesang als erfolgreichste Absolventin einer privaten Musikuni abschloss. Danach zog es Gabriela wieder zurück nach Tschechien und jetzt vertritt sie ihr Land beim ESC. 

Das Lied beginnt mit ruhigen Klavierakkorden und ihrer Stimme, die sehr im Fokus steht. Der Refrain beginnt durch ein langgezogenes I. Das Lied wird auch durch den Einsatz der Streicher, des Schlagzeugs und des Gongs nicht wirklich unruhiger. Sie singt den zweiten Refrain deutlich lauter, was wahrscheinlich zunehmende Dramatik sein soll. Die Bridge ist auch zurückgeschraubt. Dann kommt ein Schrei und man erwacht kurz aus seinem Tagtraum. Aber genau dann ist das Lied schon vorbei.

International kommt das Lied sehr gut an, was denke ich daran liegt, dass man keine Erwartungen an Tschechien hatte und es dafür wirklich klasse Arbeit abgeliefert haben. Mir persönlich fällt auf, dass das Werk extrem uneinprägsam ist. Der Rhythmus im Vers ist ziemlich gewöhnungsbedürftig. Genau hier liegt das Problem, denn beim ESC geht es nicht um das musikalisch beste Lied. Nein, es geht um das Lied, das nach einmaligen Hören die Menschen so vor dem Bildschirm fesselt, dass sie dafür anrufen. Hier sehe ich das nicht. 

Diese Tatsachen erinnern stark an Edurne (Spanien 2015), die ebenfalls vor dem ESC hoch gelobt wurde.



Beide Songs könnten wunderbare Soundtracks für Dramas abgeben. Sie können Bilder unglaublich gut unterstützen, dramatisch gesehen. Aber es mangelt ihnen an Kraft, diese Stimmung selbst zu erzeugen. Wir sind uns alle einig, dass es ein herausragendes Lied ist, das wir alle irgendwie gut oder zumindest erträglich finden. Aber das ist genau die Ann-Sophie-Gedächtnis-Falle. Alle sagen ach ja ganz nett, aber keiner findet es so toll, dass er dafür anrufen würde.

Beim Staging ist viel möglich, praktisch zu viel, da man durch die vielen Möglichkeiten im Falle eines Misserfolgs, die Ausrede der Bühnenpräsentation vorschieben könnte. Ich würde zunächst einmal schauen, was sie für eine Ausstrahlung besitzt.



Ok.Dieser Auftritt ist 2 Jahre her, ihre Bühnenbeherschung war schon damals sagenhaft. Also bieten sich noch mehr Optionen. Ein kurzer Blick auf den Text: Sehr liebevoll und dankbar, das ist die Grundaussage. Ich stehe hier, weil du immer hinter mir standest und mich unterstützt hast. 

Da die Ballade dann doch relativ düster beginnt, wäre ich für eine Gewitterszene am Anfang im LED-Schirm mit Spot auf ihr. Das düstere Video wandelt sich dann langsam in eine wunderschöne Frühlingslandschaft mit Blümchen und allem drum und dran. Ein Kostümwechsel wäre hier dramaturgisch ebenfalls passend. So weit mein Konzept, aber wie gesagt, ist hier nahezu alles möglich.

Für Gabriela hab ich leider kaum gute Nachrichten. Ihr Problem ist, dass sie im ersten Semifinale startet. In diesem kämpfen meiner Meinung nach 16 der 18 Songs um den Einzug ins Finale. Dazu kommt die Tatsache, dass die Länder, die häufig Nachbarvotings bekommen haben, dieses Jahr schlechtere Lieder haben. Dadurch ist nicht klar, ob sie wie sonst auch immer durchkommen. 

Tschechien ist der einziger Kandidat, der eine Ballade zelebriert. Schnell kann das allerdings zum Toilletenpausen-Song werden. Die Performance wird in diesem Halbfinale eine unglaublich große Rolle spielen. Aber im Moment sehe ich Tschechien als 16 von 18 in meiner Meinung. Das hört sich wirklich schlecht an, aber es kann noch schlimmer kommen, denn Montenegro wird Balkanhilfe bekommen und könnte sie dadurch noch einkassieren. Ich habe die Hoffnung verloren, dass sie sich qualifizieren kann. Warum man ihr nicht einen Rocksong geschrieben hat, die sie dank ihrer Stimme sensationell singen kann, bleibt wohl ein gut gehütetes Geheimnis.

Also wird Tschechien aller Voraussicht nach weiter auf der Stelle treten.




Mittwoch, 23. März 2016

Warum verabschiedet sich Serbien erneut?

Der ESC bekam ja vor allem in den letzten Jahren viel Gegenwind. Insbesondere das Thema der Sprache, in welcher man beim Contest singt, ist oftmals ein Streitpunkt. Auf der einen Seite sind natürlich der nationale Stolz und die Repräsentation seines Heimatlandes, aber auf der anderen Seite möchte man auch verstanden werden und der Interpret erhofft sich durch ein Englisches Lied eine bessere Folgekarriere.

Wie immer bei solchen Diskussionen, lassen wir uns mal nur von den Fakten berieseln. Im Jahre 1999 wurden die Sprachbarrieren aufgelöst und durch Englisch eine gemeinsame Brücke geschlagen. Im Jahre 2004 nahmen 36 Nationen teil, 23 sangen ausschließlich auf Englisch. 2008 waren es von 43 Ländern ebenfalls 23. Im Jahre 2008 nahmen 42 Nationen teil, von denen 23 auf Englisch sangen. Die Zahl für 2016 sollte klar sein. Von 43 teilnehmenden Ländern singen dieses Jahr allerdings sage und schreibe 35 Nationen auf Englisch. Der Trend, welcher sich bereits in den letzten Jahren abzeichnete, hat also 2016 einen (vorläufigen?) Höhepunkt erreicht. Ein in Muttersprache recht erfolgreiches Land ist Serbien. Doch auch vor diesem Land macht dieser Trend keinen Halt.

Serbien ist wegen der relativ frischen Aufspaltung von Montenegro ein neueres Land beim ESC. 2007 nahm das Land erstmals als eigenständiges Land teil und gewann prompt. Danach folgten 7 Teilnahmen (außer 2014), bei denen 5 Finalplatzierungen heraus sprangen, dabei auch ein 3. Platz 2012. Serbien ist eindeutig ein erfolgreiches Land beim ESC, das erfolgreichste aus der Balkanhalbinsel.

Nachdem in den letzten Jahren immer ein kleiner aber feiner Vorentscheid stattfand, entschied man sich dieses Jahr für eine Direktnominierung. Letztes Jahr namen beispielsweise nur 3 Acts am Vorentscheid teil. Aber mit einer Direktnominierung hat Serbien bisher nur gute Erfahrungen gemacht...ehrlicherweise wurde sie auch erst einmal durchgeführt. 2012 nämlich, belohnt mit dem 3.Platz. Ob der diesjährige Act allerdings da ran kommen kann, ist fraglich.


Der diesjährige serbische ESC-Beitrag kommt von ZAA Sanja Vučić und heißt Goodbye


Die 22-jährige Serbin hat noch nicht besonders viel Publicity vorweißen können. Sie schloss sich 2012 der Band ZAA als Frontfrau an und tourt um die slawischen Nachbarn. Besonders viel mehr konnte ich nicht herausfinden. Sie hat etwas unterhalb der Schulter ein Tatoo, das eine geöffnete Blüte zeigt. Aber ihr Gesicht wirkt wie eine Verschmelzung aus Nina Zilli (Italien 2012) und der Biathletin Dorothea Wierer. Aber genug von der Interpretin, kümmern wir uns um das Lied:

Das Lied beginnt mit einer sanften Pianoeinleitung, in der der Fokus sehr auf Sanja liegt. Streicher setzen auf dem Weg zum Refrain ein und der Refrain bleibt ebenfalls sehr ruhig. Die an den Balkan erinnerten Holzblasinstrumente, setzen gemeinsam mit dem Schlagzeug ein und die Steigerung nimmt nun stark zu. Als Bridge wird ein Instrumentalteil und ein Schrei verwendet. Danach geht richtig die Post ab, aber die ganze Ladung werden wir erst Live hören.

Das Stück ist eine spannende Ballade, die musikalisch nicht wirklich den Endruck eines musikalischen Goodbye´s vermittelt. Der Aufbau des Liedes ähnelt sehr dem albanischen I´m alive aus 2015.



Das wohl auffälligste ist wohl die Gestik der Dame Sanja. Diese ist sehr ausgeprägt und sehr unterstützend, eventuell etwas zu unterstützend. Die Gestik kann schnell bei manchen als lächerlich deklariert werden und das kann beim Ersteindruck-Wettbewerb ESC eine größere Rolle spielen. Aber ich glaube die Serben haben da einen Plan.

Auf der ESC-Bühne wird sie gesanglich einen guten Eindruck machen, dass was ich bisher von ihr live gehört habe, war durchweg positiv. Das Staging könnte hier sehr simpel ausfallen, da Sanja ja sowieso viel Ausstrahlungskraft (+) hat. Die Schminke sollte dabei allerdings sehr viel dezenter sein, da sie aussieht, als ob sie in einen Topf voller Lidschatten gefallen wäre. Ein komplizierteres Staging wäre sicher ein Ausdruckstanz, der hier nicht empfehlenswert ist, aber möglich. Geigen sollten unbedingt auf der Bühne sein, aus ESC-Historischen Gründen und weil sie ja zu hören sind.

Ich hoffe nur, dass Serbien nicht das gute Lied wie 2013 durch eine unglaublich grässliche Bühnenshow negativ beeinflusst. Ansonsten kann man Serbien nur gratulieren. Im ohnehin schwächer besetzten Semifinale 2 sollte überhaupt kein Problem entstehen. Im Finale tippe ich durch Balkanunterstützung auf einen Top-10-Platz. Die Hauptsache ist doch allerdings nur, dass Serbien dem ESC erhalten bleibt und nicht erneut Goodbye sagt.



UPDATE 26.03.16: Da hab ich tatsächlich vergessen, auf den Text des guten Songs einzugehen. Im Lied geht es darum, dass sie opfer körperlicher Gewalt wurde und daher trotz des Widerstandes des Partners, davon rennt. So etwas ähnliches hatten wir 2014 mit Ungarn, allerdings mit dem Unterschied, dass es dort um Kindermissbrauch ging und es hier nun um Frauenmissbrauch geht. Dadurch erklärt sich auch die übertriebene Gestik und begründet diese auch.

Auf der Bühne würde ich nicht wie Ungarn 2014, einen Ausdruckstanz einsetzten, da es dann einfach zu viel Aktion auf der Bühne wäre. Ein zwielichtiges Video auf den LED´s und das sollte auch schon reichen, um die Botschaft an den Mann zu bringen. 

Samstag, 19. März 2016

Die Stimmung in Estland bleibt düster

Der ESC ist ja eigentlich ein Wettbewerb, in dem der Titel an den Komponisten des besten Titels geht. Also nicht an den Sänger, der ist aus Komponistensicht nur Mittel zum Zweck ist. Der einzige Preis der an den Interpreten des Songs geht, ist die große mediale Aufmerksamkeit. Was besser ist, kann sich da wohl jeder denken. In Estland kam diese Nachricht vielleicht etwas spät an, da der letztjährige Teilnehmer nun als Komponist in diesem Jahr an den Start gehen wird. Das verbindet ihn übrigens mit Aminata aus Lettland, die das dieses Jahr auch so macht.

Estland war der erste baltische Staat, der am ESC teilnehmen wollte. Das war im Jahre 1993, indem man allerdings in einem osteuropäischen Vorentscheid ausschied. Seit 1995 nehmen sie ununterbrochen am ESC teil und sind in Stockholm mit der 23. Teilnahme, baltischer Rekordteilnehmer. In den letzten 10 Jahren stehen 5 Finalteilnahmen zu buche, davon drei Top-8 Plätze (2009,2012,2015). Das Highlight in der Geschichte Estlands ist neben der Unabhängigkeit, natürlich der ESC Sieg 2001.

Eesti Laul nennt sich der große estnische Vorentscheid, der in zwei Halbfinals und ein Finale aufgebaut war. Es fand, für estnische Verhältnisse, in einer riesigen Halle (<10.000 Plätze) statt und das Publikum war sehr gut drauf. Der estnische Vorentscheid gilt als der modernste und innovativste Osteuropas und besaß daher auch ein großes Zuschauerinteresse. 

Und auch in diesem Jahr zeigten die 10 verschiedenen Interpreten wieder, was mittlerweile bei der Bühnenpräsentation möglich ist. Von Hologrammen, über LED-Unterwäsche, bis zu einem Act, welcher nur mit einem Video das lief antrat, war alles dabei. Aber für wen würde sich das Publikum und die Jury, die jeweils 50% Stimmgewalt besaßen, entscheiden und damit ins Superfinale schicken?  Am Ende wurde es ein neues Gesicht, mit der Hilfe eines alten Bekannten.


Hier der estnische Beitrag für den ESC 2016 von Jüri Pootsmann Play:


Zunächst einmal zum jungen Mann, der den Vorentscheid gleich im ersten Anlauf gewann. Der erst 21-jährige gewann 2015 sozusagen ESDS (Estland sucht den Superstar) und holte sich einen großartigen Komponisten an seine Seite: Stig Rästa. Dieser trat 2015 für Estland an und holte zusammen mit Elina Born die beste Platzierung seit 2012. 



Wie schon unschwer zu hören ist, hat Stig ebenfalls diesen Beitrag geschrieben. Die beiden Lieder ähneln sich ziemlich, sind aber beide unglaublich intensiv. Die dunkle Stimme Jüris passt super zu diesem Arrangement, welches an die 60-er erinnert. Der Klavierbeginn, lässt es wie eine typische Ballade starten. Dann startet allerdings das Schlagzeug und das Lied steigert sich und bleibt ruhig zu gleich. Die Gong Schläge im Refrain unterstützen den dunklen Charakter zusätzlich. 

Auch das Gesamtkonzept stimmt einwandfrei. Die schwarze Kleidung, passend zu seiner Stimme, dazu die rote, bedrohliche Beleuchtung. Auch positiv ist der Spot, der nur eine Seite seines Gesichts beleuchtet. Dieses Gesamtkonzept wird ihm wohl den Sieg eingebracht haben, aber was heißt das für Stockholm?

Jüri ist dieses Jahr glaube ich der einzige Act, dem ich raten würde, alles so zu lassen wie es aktuell ist. Das Licht, die Blicke, nahezu alles passt. Eventuell noch ein paar dunkle Gestalten auf dem Hintergrund oder etwas Nebel, um die dunkle Atmosphäre erneut zu verstärken. Aber ansonsten ist denke ich das Maximum erreicht, was man aus diesem Lied heraus holen kann.

In diesem ausgeglichenen Jahrgang darf der Anspruch Estlands nicht sein, die Platzierung des vergangenen Jahres zu halten oder gar zu verbessern. Estlands Ziel sollte die Qualifikation fürs Finale sein, mehr darf man sich nicht im Gemetzel des ersten Semifinals vornehmen.

Estland schickt ein gutes Lied, welches aber schon nahe an der perfekten Umsetzung ist. Da im ersten Semifinale aber alle Lieder auf einem Level sind, muss man warten, was die anderen so auf die Bühne zaubern. Da macht es die Tatsache nicht leichter, dass die baltischen Brüder nicht im ersten Semifinale voten.

 Ich rechne im Augenblick mit einem knappen Ausscheiden. Aber es ist ja alles nur ein Spiel...



Litauen wartet auf diese eine Nacht

Was ist das schönste an dem Zusammenfall der ehemaligen UdSSR? Natürlich dass uns Mitte der 90-er eine Flut an neuen potentiellen ESC-Teilnehmern überflutete. Die UdSSR war nie beim Contest vertreten, heute sind allerdings 10 damalige sowjetische Teile als Länder beim ESC vertreten. Dieses Jahr treten erneut alle an und eines davon ist das baltische Land Litauen.

Litauen war nach Estland(1993) der zweite baltische Staat, der beim ESC teil nahm. Das war im Jahre 1994, Lettland folgte erst 2000. Erfolgreich ging diese erste Teilnahme allerdings nicht aus, da man den 25. Platz erreichte, von 25 Teilnehmern, mit 0 Punkten. Der Nachbar Estland konnte allerdings keine Schadenfreude zeigen, da Estland mit nur 2 Punkten auf dem 24. Rang lag. Im neuen Jahrtausend wurde klar, dass Litauen ein eher unerfolgreiches Land beim ESC ist. Die baltischen Brüder konnten in den Jahren 2001 und 2002 den ESC gewinnen, Litauen kam auf die Plätze 13 und 23. Seit der Einführung des Semifinals 2004 nahm Litauen an jedem ESC teil und wird daher in Stockholm das 17. Mal teilnehmen. In den vergangenen 10 Teilnahmen konnte Litauen 7 Mal das Finale erreichen, hierbei allerdings nur ein einziges Mal die Top10 erklimmen. Das gelang im Jahr 2006 mit einem sechsten Platz.

Der litauische Vorentscheid ist der verwirendste der ganzen Preseason. Über 10 Runden performen die Künstler ihren Song, dabei jeweils von Jury und Publikum benotet. Den genauen Modus kennen nur die Litauer selbst, daher direkt zum Finale, an dem 6 Acts teilnahmen. 



Diese beiden netten Menschen waren unsere Moderatoren und waren scheinbar unterhaltsamer als ihre Outfits es vermuten lassen, da man das Publikum häufig lachen hörte. Das Teilnehmerfeld war relativ hochwertig und bis auf eine Ausnahme sehr ausgeglichen. Diese Ausnahme ist allerdings nicht im negativen Sinne gemeint, sondern im positiven. Donny Montell war dieser Ausreißer und hier das Bild des Moments, seines Sieges.



Aber nun noch mal in Bewegbildern.
Hier der litauische Beitrag von Donny Montell für den ESC 2016 I´ve been waiting for this night



Donny Montell ist also auch einer der drei Teilnehmer am kleinen Jahrgangstreffen von 2012. Neben Kaliopi (Mazedonien) und Gretel (Island) ist er ein weiterer Rückkehrer des Jahres 2012. In diesem Jahr konnte er mit seinem Titel Love is blind die beste Platzierung Litauens seit 2006 einfahren, er wurde 14. Hier auch mal sein sehr akrobatischer, aber von mir nicht besonders gemochter Beitrag 2012.



Nun zurück zu seinem 2016-ner Beitrag. IBW4TN ist ein wunderbarer Upbeat-Song, der ohne Probleme auf einer Party gespielt werden kann. Der 28-jährige tritt mit dem Genre an, dass zur Zeit die wohl größte Beliebtheit besitzt, wenn man die Charts als Maßstab nimmt. Er steht diesen Songs von amerikanischen Multimillionären in nichts nach. Der einzige kritisierbare Punkt ist, dass er eben einen typischen Beitrag besteuert und er eben keine besondere Note besitzt. 

Das Video ist sehr hochwertig produziert und zeigt die "Jagd" auf das Mädchen seiner Gelüste. In der späteren Siegerpressekonferenz sagte er allerdings, dass diese Nacht nicht nur auf eine Beziehung ausgelegt sein muss, sondern alle besonderen Momente im Leben beschreibt, auf die man sich freut. Bei ihm wäre das laut eigener Aussage der ESC-Gewinn. Na dann...

Der Mann mit den schönsten Augen die es gibt (ernsthaft, des müssen doch Kontaktlinsen sein!) hat allerdings einige Probleme, die Qualität der Studioversion live zu halten. Im Vorentscheid traf er jeden Ton und machte sogar einen vernebelten Salto, aber die Kraft und der instand appeal waren nicht so stark vorhanden. 



Auch wenn seine Schuhe mich an den glänzenden Körper einer ekelhaften Schmeißfliege erinnern, fand ich diese Performance doch sehr ansprechend. Er hat schon angekündigt die Bühne in Schweden besser nutzen zu wollen, besser wäre es für ihn.

Ich würde in Schweden natürlich auf Tänzer setzen und auch mit diesen Nebelfontänen arbeiten. Generell ein großes Angebot an Pyrotechnik und an Kameraeinstellungen, die das Lied lebendig erscheinen lassen. Er darf nicht zu sehr über die Bühne hampeln, sonst bekommt er die hohen Töne am Ende des Lieds nicht hin, aber der ein oder andere Salto sollte drin sein. 

Für mich persönlich ist Donny der einzige 2012-Rückkehrer, der sich sogar noch einmal gesteigert hat und ist in meiner Top ziemlich weit vorne. Daher glaube ich auch, dass er das Finale souverän erreichen wird und dort sogar seine Platzierung von 2012 übertreffen kann. Ob er die neue Bestmarke Litauens aufstellen kann bezweifel ich eher. Er ist zwar die erfolgreichste Fischer in diesem Genre, aber es hat dieses Jahr eben noch viele andere Fischer, die ihm den ein oder anderen Vote wegnehmen wird. 




Griechenlands utopischer Wahnsinn

Wieder einmal schafft es Griechenland trotz klammer staatlichen Kassen, die Teilnahmegebühr für den ESC aufzutreiben. Seit fünf Jahren hat Griechenland mittlerweile die Probleme, diese Summe irgendwie aufzutreiben. 2012 kümmerte man sich selbstlos nicht um das eigene Bild in Europa und vollzog den Vorentscheid nicht in einem Studio, sondern mitten in einem Einkaufszentrum. Seit 2013 kooperierte der Staatssender für den Vorentscheid mit einem Privatsender, also so ähnlich wie in Deutschland in den Jahren 2010-2012, in denen die ARD und PRO7 eine solche Symbiose eingingen. Doch dieses Jahr macht Griechenland alles anders...

Griechenland ist eines der 3 absolut 100%-igen Semifinalbewältiger, neben drei relativen. Die absoluten nahmen an jedem Semifinale seit 2004 teil, die relativen hatten mindestens ein Jahr Pause. Neben Griechenland gehören Russland und Rumänien zu den absoluten und Aserbaidschan, Bonsien und die Ukraine zu den relativen Semifinalbewältigern. Griechenland nahm erstmals 1974 teil und wird in Stockholm die 37. Teilnahme feiern. Unzählige Top-10 Ergebnisse wurden durch den Sieg 2005 natürlich in den Schatten gestellt. Darauf hielt sich das Land bis 2012 immer in den Top-10. Ab 2013 setzte aber der langsame Abstieg der griechischen Ergebnisse ein, zeitgleich mit den Imageproblemen bei den anderen europäischen Ländern. Zusammenhang möglich.

Während also die Kooperationen mit dem Privatsender keine Lorbeeren nach Athen entsandte, wurde diese Partnerschaft beendet. Offenbar gab der griechische Rundfunk den Griechen die Schuld an den schlechten Erlebnissen, den diese wurden nun von der Entscheidungsgewalt befreit und die Anstalt ernannte direkt den griechischen Act.


Hier der griechische Beitrag beim 61. ESC in Stockholm, Argo - Utopian Land:



Ok. Bevor man jetzt die Einschätzung ließt, sollte man sich das Lied ein zweites Mal gönnen. Das klingt jetzt erst einmal menschenverachtend, aber es lohnt sich. In der Zwischenzeit hier die namentliche Erwähnung der Mitglieder.

Die Band nennt sich Argo und wurde im Sommer des Jahres 2011 gegründet, also ist die Truppe noch nicht all zu lange zusammen. Die 5 Mitglieder heißen Vladimiros Sofianidis (aus Georgien, genauer Sochumi), Christina Lachana (ebenfalls aus Sochumi), Ilias Kesidis (Sochumi), Konstantinos Topouzis und Alexandros Papadopoulos (Geburtsort unbekannt) und Maria Elbrus (Russland). Alle geben an große Fans der pontischen Musik zu sein und schreiben daher eigentlich ausschließlich auf dieser Sprache. Für den ESC, bei dem Pontisch noch nie vorgetragen wurde, bedienen sie sich allerdings an einem Sprachentriplett aus Pontisch, Englisch und Griechisch. 

Das Lied ist sehr sehr sonderbar und steht nicht für die übliche griechische Lockerheit, die von ihnen beim ESC oft zelebriert werden. Im Text geht es unter anderem um die Finanzkrise und die aktuelle Situation der Flüchtlinge. Die Botschaft ist allerdings im Vergleich zum ukrainischen Beitrag, deutlich versteckter und fällt kaum auf.

Den Musikstil zu beschreiben ist wohl eine Aufgabe für zukünftige Generationen. Traditioneller Indiepop, mit Rapeinfluss? Das ist jetzt keine ausgesprochen fancy Bezeichnung, aber treffend.

Der Beginn lässt auf eine typische Balkanballade tippen. Aber es wird auf Englisch gesungen und die Frau wird von lauten Trommelschlägen unterstützt. Danach folgt ein Rap, der von einem R&B Beat unterstützt wird. Der Refrain ist dann doch relativ eingängig, aber das war es dann noch nicht aus dem griechischen Kreuzungslabor. In der Bridge verbinden sich beide Beats und das wirkt irgendwie seltsam. 

Dieser sehr eigenwillige Beitrag kommt bisher nicht sehr gut bei den ESC-Fans an und es wird schon darüber spekuliert, ob Griechenland damit aus dem 100%-Club raus fliegt. Mir persönlich gefällt das Lied relativ gut, ich habe aber 2 bis 3 Durchläufe gebraucht um es zu mögen. Der Rap harmoniert dann doch gar nicht mal schlecht mit dem Rest und der Refrain ist eingängig.

Ein großes Rätsel ist natürlich die Bühnenpräsentation. Das Video zeigt nur einen blanken Griechen in Zeitlupe rennen, also liefert uns das keine Hinweise. Tänzer oder Darsteller kann es keine geben, da es ja 6 Bandmitglieder sind. Allerdings sollte klar sein, dass dieser Song über die Show kommen muss. Es eignet sich durch die verschiedenen Einflüsse eigentlich auch gut dafür. Ich würde etwas in Richtung Natur und griechischer Historie in die Präsentation einfließen lassen. Womöglich auch aktuelle Bilder mit Flüchtlingen, um darauf noch einmal Aufmerksam zu machen.

Griechenland macht es sich nicht nur politisch nicht einfach. Auch beim ESC versuchen sie mit einer eigenwilligen Politik, möglichst viele Geld Punkte abzustauben. Ob das etwas werden kann wird sich im Verlaufe der Probewoche zeigen. Der ESC-Gott dramatisiert die Zukunft Griechenlands zusätzlich. Diese müssen nämlich in der ersten Hälfte starten und müssen ohne die Hilfe ihrer 3 Nachbarländer Bulgarien, Albanien und Mazedonien durchkommen. Nur Zypern wird den Griechen voraussichtlich eine mit 12 Punkten dosierte Notspritze geben. 

Die Griechen spielen nun auch beim ESC mit dem Feuer. Trotzdem sollte man den Finaleinzug nicht als unerreichbar einschätzen. Eine gute Finalplatzierung in den Top10 halte ich allerdings für ein utopisches Ziel. 

UPDATE: 20.03.16: Als ob ich es gerochen hätte. Argo hat sich verkleinert, um einen pontischen Tanz auf der Bühne aufführen zu können. Getroffen hat es den Sänger Ilias Kesides, der immer noch Mitglied der Band bleibt, allerdings nicht auf der Bühne stehen wird. Eine vernünftige Entscheidung, wenn er keine tragende Rolle beim Lied spielt. Durch den Tänzer wird die Atmosphäre noch besser verkauft werden. Also der erste gute Tag für Griechenland seit Jahren.