Italien ist eines der Big-5-Länder im ESC, damit sind sie gegen einen höheren Geldbeitrag im Finale gesetzt. Der 2-fache ESC-Sieger (1964,1990) war eines der sieben Gründungsmitgliedern des ESC´s im Jahre 1956. Die Anekdote, wie der ESC überhaupt entstand, spare ich mir hierbei. Tatsache ist, dass das italienische Sanremo-Festival die Vorlage für den ESC war und auch immer noch ist. Die EBU kopierte also größtenteils eine nationale Idee, zu einer europäischen Idee. Bis heute ist in Italien das Sanremo-Festival deutlich wichtiger und beliebter, als der ESC.
Dieses Jahr feiert Italien also seine 43. Teilnahme, damit befindet es sich nur auf Platz 15 der meisten Teilnahmen. Das hat vor allem den Grund, das Italien zwischen den Jahren 1998 und 2010 dem ESC ferngeblieben ist, da die Einschaltquoten nicht mehr stimmten und man das Sanremo-Festival stärken wollte. Seit der Rückkehr 2011 hat sich Italien als konstantestes Big-5-Land gezeigt. Bei diesen 5 Teilnahmen gab es 4 Top-10-Plätze und außerdem 2 Podestplätze, 2011 2. und 2015 3. Das sind Statistiken, von denen Großbritannien nur Träumen könnte.
In Italien ist das Sanremo-Festival ein großes Spektakel mit riesigem Medieninteresse. Um einen weiteren Anreiz für die Künstler zu setzen, darf der Sieger dieses Festivals, Italien beim ESC vertreten. Darf ist aber ein sehr schwaches Wort und so kam es schon öfters vor, dass der Sieger keinen Bock auf den ESC hatte. In diesen Fällen nominierte RAI intern einen Interpreten aus. Dieses Jahr war es einmal wieder so weit.
Das Finale des Sanremo-Festival fand dieses Jahr am 14.02.16 statt und ging bis tief in die römische Nacht hinein. Insgesamt traten 16 Acts gegen einander an, quälend lang waren allerdings die Pausen dazwischen. Als dann noch bekanntgegeben wurde, dass es ein Superfinale gibt, war ich kurz vor der Explosion. Zum Glück sangen die drei Superfinalisten nicht erneut. Kurz und schmerzlos, also das genaue Gegenteil von Sanremo, ist hier das Ergebnis. Es gewann die schon senile Männertruppe Stadio mit dem Lied "Un giorno mi dirai", dass sich gegen die junge Castinggeneration durchsetzten konnte. Das Video gibt es nur auf Dailymotion und zwar hier.
Dieser dunkle Sprechgesangsbeitrag gefiel der dunklen italienischen Seele wohl sehr und so kam es zum Sieg. Der Sieger ist weder ein musikalisches Meisterwerk, noch im 21. Jahrhundert zeitgemäß, also genau das richtige für das Sanremo-Festival. Die alten Herren feierten ausgelassen auf der Bühne und die ESC-Welt war durchaus etwas geschockt. Der Schock wurde aber noch auf der anschließenden Pressekonferenz vergrößert, da Stadio sofort verkündeten, dass sie mit dem ESC nichts am Hut haben wollen. Sie hätten eine Tournee zu dem Zeitpunkt und das gehe natürlich vor! Naja...
Die RAI stand nun natürlich vor der Frage, wer denn nun nach Stockholm fahren sollte. Den folgenden Monat fasse ich nun mal schnell zusammen. Relativ schnell wurde klar, dass die Zweitplatzierte nachrücken sollte. Diese akzeptierte sofort, konnte sich dann aber nicht schnell entscheiden, ob sie ihren Sanremo-Beitrag singen soll. Am Ende entschied sie sich dafür. Aber auf Englisch oder auf Italienisch und wie soll das Lied auf die 3 Minuten gekürzt werden? Diese Fragen beschäftigten die Italiener wohl so lange, dass erst am 25.03.16 die finale Version veröffentlicht wurde.
Hier der italienische Beitrag für den ESC 2016 von Francesca Michielin - no degree of seperation
In Sanremo startete die 21-jährige Castingshowgewinnerin von der unglücklichen Startnummer Uno und schaffte es dennoch auf Platz 2, was auch an ihrer Fanbase liegen könnte. Nach ihrem Gewinn bei X-Factor gelang der Bassistin 3 Nummer 1 Hits in Italien, ihr ESC-Beitrag ist einer davon. Außerhalb Italiens kann sie nur eine Chartplatzierung in der Schweiz aufweisen.
Ihr Team und sie entschieden sich für einen sprachlichen Kompromiss bei ihrem Beitrag. Das Lied wird bis auf den zweiten Refrain komplett auf italienisch gesungen. In Sanremo sang sie noch alles auf italienisch, was sich so anhörte.
Es beginnt mit einer Pianobegleitung und ihrer Stimme. Während des gesamten Liedes bleibt diese beruhigende und träumerische Stimmung erhalten. Im Refrain setzt ein klarer Beat ein, der ihn deutlich vom Vers abgrenzt. Im zweiten Vers erhöht sich ihre Stimme etwas und dadurch kommt ihre Muttersprache deutlich klarer heraus. Darauf folgt der englische Teil, dessen Vokabular sehr ähnlich mit dem italienischen ist. Die Bridge ist eine Steigerung, die in einen Refrain mit Koloraturen mündet. Dann ist schon alles vorbei.
Wie immer werde ich total subjektiv bewerten, aber bei Italien fällt mir das besonders schwer. Die Sprache ist einfach so schön, sooooo schön!!! Aber ich gebe mein Bestes.
Für mich persönlich fällt das Lied etwas flach aus. Es herrscht kaum Bewegung oder Veränderung, es wirkt eher wie ein Tagtraum, der durch das Aufwecken ziemlich abrupt beendet wird. Wenn der Song nicht auf italienisch wäre, würde ich sie auf einen der letzten Plätze im Finale setzen, aber diese Sprache muss man einfach lieben. Der Vorteil an italienisch ist eben, dass dadurch etwas Spannung aufgebaut werden kann, bei Schnulzen wirkt es romantisch. Trotz dieses Heimvorteils fehlt diesem Beitrag das besonderen. 2011 schickte Italien Jazz, 2012 die italienische Amy Whinehouse, 2013 eine Schnulze aus dem Lehrbuch, 2014 eine Rocknummer und 2015 das sensationelle Operntriplett.
Bei der Inszenierung gibt es keine genauen Vorgaben, da das Lied durch seine Gefälligkeit eigentlich alle Showkonzepte offen hält. Eine übertriebene würde jedoch etwas von dem Zauber der Sprache nehmen. Im Video verschönert sie ihre Umgebung mit einigen Zeichnungen, von daher wäre eine futuristische, kreative Show mein favorisiertes Konzept. Aber wie gesagt, es kann alles passieren.
Für mich persönlich ist 2016 Italiens schwächtes Jahr seit der Rückkehr. Die Top-10 dürften auch mit guter Show unerreichbar sein, die Top-15 bei guter dagegen schon. Dieses unauffällige Lied wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit bei den Jury´s deutlich besser ankommen. Im Televote wird es zwischen den ganzen Popsongs untergehen und die Balladen klauen ihr die Stimmen von den Zuhörern, die eher auf ruhigere Gewässer stehen. Ich möchte nichts verschreien, aber wir haben letztes Jahr gesehen, was passiert, wenn man Zweitplatzierte zum ESC schickt und ich befürchte, dass genau das mit Italien passieren könnte. Leider.