Lisboa 2018

Lisboa 2018

Montag, 10. April 2017

Das Rennpferd und die 42 Gäule

Fast genau einen Monat noch und wir werden wissen, wer in Kiew die Trophäe mit nach Hause nehmen wird und wo der Eurovision Song Contest 2017 (wohl) statt finden wird. Da mir dieses Jahr leider die Zeit für detaillierte Einzelberichte fehlt, werde ich einige gebündelte Beiträge vor dem Probenbeginn in knapp 3 Wochen veröffentlichen. Beginnen werden wir mit der entscheidensten und wichtigsten Frage: Ja wer wird denn den ESC gewinnen? Dazu begnügen wir uns einer alten britischen Sucht, dem Wetten. Im Internet wimmelt es nämlich nur von Plattformen, die Wetten für den ESC anbieten. Dazu muss man sagen, dass sich diese Plattformen insbesondere in UK, Irland und Australien großer Beliebtheit erfreuen und dadurch eine gewisse Verzerrung entstehen kann, da die eigenen Beiträge gepusht werden. Um die Favoriten zu diskutieren, nehmen wir die aktuellen Top10 der Wette auf den Sieg. Dabei handelt es sich nur um eine Momentaufnahme und nach den Proben & Semifinals ist da immer noch ordentlich Bewegung drin. Auch bedeutet ein vierter Platz beispielsweise nicht, dass man diesen Beitrag auf den vierten Platz vermutet sondern, dass er die viertgrößte Wahrscheinlichkeit hat zu gewinnen, ein großer Unterschied. Die Daten stammen vom 10.4.17 um 12:29 dt. Zeit.

1. Italien
2. Bulgarien
3. Schweden
4. Portugal
5. Belgien
6. Armenien
7. Australien
(8.) Russland
9. Frankreich
10. Aserbaidschan
11. Dänemark
...
24. Deutschland
...
32. Schweiz
...
36. Österreich
...
41. San Marino, Tschechien, Slowenien

Platz 11: Dänemark

Anja Nissen gewann den Dansk Melodi Grand Prix mit ihrem Powerbeitrag "Where I Am". Die beeindruckende Blondine schaffte somit im zweiten Anlauf die Teilnahme am ESC. Mangelndes stimmliches Talent sollte allein schon durch ihren Sieg bei the voice  Australia selbstverständlich nicht der Fall sein. So ist es auch bei ihrem eher blassen Beitrag, der ohne Anja nie und nimmer da oben stehen würde. Die Wettenden hoffen auf einen ähnlichen Effekt von Dami Im und Australien 2016, als sie mit ihrer Stimmakrobatik einen Löwenanteil der Anrufe verursachte. Der Radiopopsong beginnt mit einem an Gospel erinnerten Einstiegschor und verhält sich zu Beginn recht ruhig. Je länger der Song geht, desto mehr kommt die powervolle Stimme hervor. Dazu sieht Anja noch super aus, hat einen exzellenten Modegeschmack und begeistert im letzten Chorus wirklich jeden Zuseher. Anjas Ausrucksstärke wurde im Vorentscheid blind vertraut, ein Konzept im Staging war nicht zu erkennen. In Dänemark war es in den letzten Jahren Tradition, dass der Auftritt nahezu unverändert zum ESC gebracht wird. Für Dänemark spricht außerdem​ die skandinavische Allianz, die sich gegenseitig gerne Punkte zuschiebt (insbesondere im Zuschauervoting). Dazu kommt sowohl im Semi als auch im Finale, dass sie in Australien praktisch eine sichere 12 der Zuschauer haben wird. Es gibt nur 10 Länder mit höheren Chancen auf den Sieg, laut Wettanbietern.

Platz 10: Aserbaidschan

Der Kaukasus ist durch Dihaj und ihrem Song "Skeletons" ebenfalls im Favoritenkreis. Die Mutter eines Sohnes verbringt viel Zeit in London, schreibt dort ihre eigene moderne Elektro-Musik. Für den ESC hat sich Aserbaidschan allerdings erneut für einen schwedischen Export entschieden. Die moderne Instrumentierung wird durch einen hymnischen, mehrschichtigen Chorus ergänzt und weckt ein modernes, dunkles Gefühl. Beim Staging war Aserbaidschan dazu nie verlegen Dinge auszuprobieren und mit der erfahrenen Künstlerin Dihaj könnte ein kurzweiliges Intermezzo bevorstehen. Sie hat bereits ein aufwendiges Staging angedeutet. Stimmlich ist Dihaj erste Ware und mit der größte Star aus Aserbaidschan. Außerdem verfügt auch Aserbaidschan über viele wohlwollende Nationen in Osteuropa (besonders Georgien, Israel). Dazu kommen oft unerklärlich gute Resultate aus kleineren Ländern, die Raum für Spekulationen (und Pre-Paid Handys) lassen, aber Aserbaidschan fleißig Punkte gibt.

Platz 9: Frankreich

Alma wird Frankreich mit "Requiem" vertreten, dass bilingual vorgetragen wird. Frankreich schaffte nach langer Durststrecke letztes Jahr mit Rang 5 den Befreiungsschlag und hofft diesen Trend beibehalten zu können. Alma arbeitet dabei mit dem Komponisten des letzten Jahres zusammen, hat also durchaus Grund optimistisch zu sein. Der leicht orientalische Einfluss ihres Beitrages , könnte in Osteuropa noch zusätzlich einiges rausreißen. Live hält sie, was die Studioversion verspricht und der Charakter des Liedes lässt ein interessantes Staging zu. Dank der Big5 Regelung muss sie nicht ins Semifinale.

Platz 8: Russland

In meinem letzten Post habe ich praktisch alles über Russland gesagt, was es zu sagen gab. Ich denke nicht, dass Russland teilnehmen wird und daher streiche ich sie aus der Wertung.

Edit 15.4.17: Russland wird nicht teilnehmen und den Wettbewerb ebenfalls nicht ausstrahlen.

Platz 7: Australien

Die Fern-Fern-Ost-Erweiterung 2015 brachte eine neue Instanz, die regelmäßig um den Sieg mitsingt. Mit Rang 5 und 2 kann Australien jenseits jeglicher Diaspora, auf Qualität und Klasse setzen. So auch dieser Jahr mit dem Song "Don't come easy", gesungen von einer 17-jährigen Aboriginal person. Das sehr an Sam Smith angelegte Paket könnte ohne Probleme im Radio gespielt werden und unterscheidet sich nicht von Chartrennern. Die Single konnte sogar in Skandinavien vereinzelte Platzierungen in den Charts verbuchen. Da Australien in den letzten beiden Jahren beim Staging beeindruckte, liegt die Messlatte hoch. Auch stimmlich sind Guy Sebastian und Dami Im in einer handverlesenen Gesellschaft, in die man dieses Jahr erneut vorrücken muss. Die Ballade ermöglicht nebenbei das Verzieren wie Dami Im.

Platz 6: Armenien

Für mich Recht überraschend befindet sich Armenien weit vorne mit der Modeikone Artsvik und ihrem "Fly With Me". Der mit Ungarn einzige traditionelle geprägte Beitrag ist praktisch eine einzige Steigerung, mit der sehr starken Sängerin Artsvik. Es erinnert nicht grundlos an Iveta letztes Jahr, da das selbe Komponisten Ehepaar dahinter steckt. Mit diesen Klängen gelang Armenien der 7. Rang. Der aktuelle Song schreit nach einem aufregenden Staging, da der Song keine Hook bietet. Hier werden die armenischen Choreographen wieder Höchstarbeit leisten, Beyoncé ist die Grenze, die Iveta ehrlicherweise kratzte.

Platz 5: Belgien

Lange lange mit Italien vorne, wurde Belgien auf Grund der Promoevents etwas Wind aus den Segeln genommen. Blanche mit "City lights" befindet sich irgendwo zwischen Lana Del Rey und Lorde. Bei den Preview Events in London und Tel Aviv (Amsterdam musste sie krankheitsbedingt absagen) konnte sie mit ihrer Stimme beeindrucken, doch wirkte wie ein scheues Reh, auch während der Performance. Vertrauen sollte Blanche in die belgische Delegation haben, was man mit Laura letztes Jahr anstellte ist immer noch unfassbar, diese Charismabombe! Bei Blanche muss man ja nur für drei Minuten einen sicheren Eindruck vermitteln. Dazu wird ein modernes, kreatives Staging erwartet, der Song könnte die Radiostationen nach dem ESC fluten.

Platz 4: Portugal
Portugal setzt auf eine verträumte Disney Ballade, die selbst in den 60-ern als altbacken gegolten hätte. Jedoch schauen viele melancholisch auf diesen Beitrag und versinken in eine andere Welt. Dazu ist Portugal der kleine tapsige Welpe, der beim ESC immer auf die Schnauze fliegt und liebevoll von den ESC-Fans wieder hingerichtet wird. Somit wird ein guter Song Portugals oftmals super doll gehypte. Das Staging wird simpel bleiben und wir haben die unprovokatiefste Ballade auf dem kontroversen vierten Platz.

Platz 3: Schweden

Das Melodifestivalen fand einen recht überraschenden Ausgang, als sich zwischen den Favoriten Nano, Wiktoria und Mariette, Robin durchsetzen konnte. Sein Titel "I can't go on" ist lyrisch kein Meisterwerk, verfügt aber über eine unfassbar packende Hook. Der Song wird des Weiteren als eher Nummer sicher beschrieben, was aber mit dem Staging wieder ausgeglichen wird, wie so oft in Schweden. Beginnend im Backstage Bereich, wandert Robin mit seinen 5 Kumpels in maßgeschneiderten Anzügen die Bühne hoch, um dort mit ihnen auf Laufbändern selbstsicher zu posieren. Auf der Bühne wirkt das alles sehr selbstbewusst (verliebt), abseits der Bühne ist Robin jedoch scheu wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Da Christer Björkman als Messias nach Kiew berufen wurde, kann Robin mit großer Sicherheit sein Staging zum ESC bringen, wie üblich in Schweden. Somit ist das potentielle Versagen beim Staging für Schweden ausgeschlossen und ist ein sicherer Hafen für Wettbegeisterte.

Platz 2: Bulgarien

Wer hätte gedacht, dass Bulgarien einmal bei den Wetten soweit vorne liegen würde? Das Land, welches in den Jahren 2011-2013 das Finale verpasste und daraufhin bis 2016 auf weitere Enttäuschungen verzichtete. Nach Poli Genovas sensationellen vierten Rang letztes Jahr, lebt der Hype weiter mit dem erst 17 jährigen Kristian Kostov. Das wohl größte Talent Bulgariens hat russische Wurzeln und lebt, besonders in der aktuellen Zeit, das Motto Celebrate diversity, da seine Familie harmonievoll in Muslime und Christen unterteilt werden kann. Natürlich sind die hervorragenden Quoten auch mit dem Hype zu erklären, aber sie kommen nicht von ungefähr. Beautiful Mess ist eine klassische Ballade mit modernen Einflüssen und herrausragender Melodieführung. Dazu die gefühlvolle Stimme von Kristian und man ist der Hauptherausforderer von Goliath. Teile des Autorenteams haben schon Poli Genovas Song produziert und sind des weiteren mit Serbien und Mazedonien gleich drei Mal dieses Jahr vertreten. Beim Staging wird auch einiges erwartet, um der Favoritenrolle gerecht zu werden. Dazu kommt noch, dass durch Russlands Absage viele Punkte (besonders im Televoting) wieder verfügbar sind und von jemanden abgeholt werden müssen.

Platz 1:

Mit 22% Gewinnchance bei den Buchmachern gut 10% vor allen anderen Beiträgen, so gefällt es der Charismagranate Francesco Gabbani. Sein guter Laune Song geht sofort ins Ohr, trotz Sprachbarriere und kann der nächste große Wurf des ESC'S seit Loreen werden. Dazu kommt ein einfacher Tanz mit einem Gorilla und Anfeuerungsrufe im Song, die sicher in Kiew groß eingefangen werden. Dabei hat sein Occidentalis Karma einen sehr lustigen, dennoch ernsten und hochwertigen Kern. Westeuropäer bilden sich nämlich ein mit Yoga, YingYang, Karma, Namaste und Co ihr Leben zu verbessern, obwohl wir das alles nicht wirklich verstehen und im Grunde immernoch Affen sind, die ihren Trieben nach gehen. Das alles beruht auf einem Studium eines Buches eines Biologen, das Gabbani auf die Idee brachte. Das Staging steht, der Song ist jetzt bereits der erfolgreichste ESC Song auf YouTube aller Zeiten und die Frage ist nur: Rom, Neapel oder Verona? Gabbani favorisiert übrigens Mailand, so weit ist es schon, die Spannung war letztes Jahr doch etwas größer. Doch wer weiß, vielleicht erweißt sich Gabbani als größter FanFavoritFail (FFF) aller Zeiten!