Ungarn bestrebte bereits 1993 auf eine ESC-Teilnahme, schied allerdings in der damaligen osteuropäischen Vorentscheidung als 6. (Platz 3 wäre nötig gewesen) aus. 1994 erreichte Friderika den 4. Rang in Dublin, was bis heute die beste Platzierung für Ungarn darstellt. In den folgenden Jahren war das ESC-Leben in Ungarn sehr wechselhaft. Neben einigen tollen Platzierungen (2007), wurde manchmal das Finale gar nicht erreicht (1996, 1999, 2008,2009) und dadurch wurden auch einige Pausen vom ESC ausgelöst (200-2004, 2006,2010). Seit 2011 nimmt Ungarn ohne Pause beim ESC teil und hat seit dem immer das Finale erreicht.
Ungarn ist oftmals das Land, was Fan-Favoriten hervorbringt. Das hat wahrscheinlich auch mit ihrem Vorentscheid zu tun, dem einen Absatz tiefer gehuldigt wird. Das Problem an Fan-Favorites ist dann aber oft, dass sie im Finale die hohen Erwartungen kaum erfüllen können. Eines der besten Beispiele für einen gescheiterten Fan-Favoriten ist wohl Kati Wolf im Jahre 2011. Als eine der Favoritinnen auf den Sieg getippt, erreichte sie nur einen 22. Platz, was ihren Ruf in Ungarn allerdings keinen Strich durch die Rechnung machte. 2014 erreichte man ebenfalls als Fan-Favorit den 5. Rang, was an dem Allzeit-Rekord kratzte. Nun soll mit der 16. Teilnahme endlich der ESC nach Budapest geholt werden, Fan-Favorit ist Ungarn einmal mehr...
Der Grund, dass Ungarn oftmals bei den Fans vordere Plätze abkassiert, könnte natürlich der groß angelegte Vorentscheid sein, der von mir liebevoll als das Melodifestivalen des Ostens bezeichnet wird. Das A Dal besitzt drei Viertelfinals, zwei Semifinals und ein Finale mit 8 Beiträgen. Von diesen werden 4 von der Jury auserwählt und in ein Superfinale verfrachtet, indem dann die Zuschauer sich ihre Rosinen herauspicken dürfen. Durch diesen Modus verhindert die Rundfunkanstalt natürlich, dass ungewöhnliche oder kritische Songs den Weg zum ESC finden (Da kann man natürlich auch eine Brücke zur ungarischen Politik bilden, vielleicht muss man sogar). Dieses Jahr konnte ich A Dal auf Grund der Konkurrenz was Vorentscheide angeht, nicht live anschauen, habe mir aber die Finalbeiträge angehört. Dabei kam ich auf einen anderen Sieger als Ungarn, denn bei mir hätte das hier gewonnen:
Definitiv wäre das eine Bereicherung gewesen, da es kein Schwedenpop ist, dazu auf Landessprache und dann sogar noch moderne Elemente mit traditionellen verbindet. Natürlich gewöhnungsbedürftig und risikoreich, also das Gegenteil von den Ungarn.
Somit entschieden sie sich Gábor Alfréd Fehérvári. Diesen Namen bitte drei Mal schnell hintereinander sagen, viel Spaß! So ähnlich wird sich das Gabór auch gedacht haben und veränderte seinen Namen in Freddie, fancy oder? 26 Jahre alt und natürlich in einer Castingshow bekannt geworden. Die in Deutschland gefloppte israelische Fernsehsendung Rising star, eröffnete Freddie (4.Platz) in Ungarn eine gewisse Popularität. Der in Győr geborene Hüne spielte Basketball, wurde allerdings von einer Verletzung gestoppt und so musste er sich andere Alternativen suchen. Er begann ein Studium von Hotelmanagement, als er sich bei Rising Star beworb. Danach widmete er sich ganz der Musik, brachte die Single des Jahres in Ungarn raus und gewann nebenbei noch das Ticket für Stockholm.
Hier ist der ungarische Beitrag für den ESC 2016 von Freddie mit Pioneer:
Zunächst ein paar Worte zum Video, dass seinen Auftritt im Vorentscheid zeigt, der mit der Studioversion unterlegt wurde. Also er singt live NICHT so perfekt, wie in dem gezeigten Video.
Die Message des Liedes lautet nach Freddie folgendermaßen: "In meinem Song geht es um den inneren Kampf, den wir tagtäglich auskämpfen und dessen Antworten in unseren tiefsten Inneren liegen. Ein wahrer Pionier stellt sich allen Problemen und trägt volle Verantwortung für sein Handeln." Soweit Freddie selbst und in den Lyrics kommt auch noch ein Hauch von Sozialkritik rüber ("Und die Liebe vom Ruhm ersetzt wurde"). Also einmal wieder ein Songtext, der eine große Botschaft beinhaltet, die dann doch relativ zusammenhangslos zum Song dasteht.
Der Song beginnt mit den Klavierakkorden und der tiefen Stimme von Freddie. Im zweiten Teil des Verses kommen dann Trommeln und Schnipser hinzu. Im Prechorus setzt das Schlagwerk wieder aus und das sehr einprägsame Pfeifen erscheint. Der ohnehin schon ruhige Vers wird vom Prechorus sogar noch unterboten. Der Kontrast zum lauten, explosionsartigen Refrain wird damit noch größer. Seine kratzige Stimme läuft auch zu Höchstleistungen auf.Der zweite Vers wird durchgängig vom Schlagzeug begleitet und auch Freddies Stimme bleibt nicht mehr so ruhig, wie ihm Vorgängervers. Der Prechorus bleibt exakt gleich. Die darauffolgende Bridge wirkt sehr sehr schnell und kumuliert die Spannung auf einen kürzeren Zeitraum. Die Bridge ist auch deshalb perfekt komponiert, da sie direkt in den letzen kraftvollen Refrain übergeht und die Spannung dafür erzeugt. Das Lied endet dann ziemlich sanft, allerdings mit den kraftvollen Worten "You should know".
Am häufigen Gebrauch des Wortes kraftvoll sollte klar sein, dass das Lied ziemlich kraftvoll ist. Aber es gibt noch große Schwächen beim Lied, die größte bei der Performance. Als guter Bruder von Mans Zelmerlöw gekleidet, läuft er unkoordiniert über die Bühne. Sein Gangstil wirkt auch alles andere als kraftvoll, eher steif und nervös. Das kann man aber durch eine gute Choreo recht simpel beheben.
Größer waren jedoch die Probleme bei der Visualisierung. Die drei Backgroundsänger verpassten jedes Mal ihren Einsatz zum pfeifen und die Leuchtstäbe verstörten mich auch eher. Dazu kam der wohl taube Trommler, der zwar super durch die Luft fetzte, aber sich bei seinem Einsatz ähnlich dämlich anstellte, wie Natalie Horchler von Cascade (Deutschland 2013) bei ihrem Versuch, die Treppe runter zu stapfen. Das Hintergrundkonzept war ähnlich verwirrend und nicht nachvollziehbar. Freddie selbst hat seine Hausaufgaben gemacht und stimmlich ist er ausgezeichnet drauf.
Somit bleibt seinem Team noch viel Arbeit, eine ähnliche Show wie letztes Jahr auf die Beine zu stellen, die wohl der Hauptgrund für die letztjährige Quali war. Die Bühne in Stockholm bietet viele Möglichkeiten, davon werden sie bestimmt einige für sich entdecken. Auch wenn es nur etwas simples wie Feuer ist, es braucht vor allem im Refrain noch etwas. Auch die Idee mit dem Trommel war nicht verkehrt, aber nächstes Mal sollte dieser kompetenter sein. Tänzer sind natürlich auch im Bereich des Erwartbaren.
Ich persönlich sehe das hier nicht so weit vorne, wie viele andere Fans. Das Gesamtkonzept passt einfach noch nicht. Der Song an sich ist ganz gut und stark, bei mir bleibt aber ein etwas eingebildeter Eindruck Freddies zurück. Das liegt wahrscheinlich an diesen genießerischen Gesten mit den ausgebreiteten Armen, also auch widerrufbar.
Es ist und bleibt ein Fanfavorit, der allerdings nicht zu krass abstürzen kann. Finale ist ziemlich wahrscheinlich, aber danach kann ich es nicht in den Top10 sehen, wie so mancher anderer. Ein Platz zwischen 18-23 halte ich da eher für denkbar. Aber er wird wohl nicht der Pionier sein, der den ESC nach Budapest holen wird.
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