Lisboa 2018

Lisboa 2018

Donnerstag, 21. April 2016

Frankreich ist reich an guten Künstlern

Achja, Frankreich. Das Land das neben Großbritannien und Irland, den wohl krassesten Sturz in die Schlucht der Bedeutungslosigkeit verbracht hat. Oftmals lag es an dem zu festen Willen, die eigene Landessprache zu erhalten, aber auch an vermeintlichen Opernsängern, die Live schlechter drauf waren als Mariah Carey nach 2 Wodka lemon. Die Franzosen sind auf dem besten Weg, Großbritannien Konkurrenz zu machen, im negativen Bereich versteht sich. Dabei waren die Beiträge aus Frankreich oft nicht schlecht, Nein, aber sie kamen einfach nicht an. Die Kehrtwende soll dieses Jahr kommen, da bin ich mal gespannt.

Frankreich ist nach Deutschland der Rekordteilnehmer beim ESC. Im Jahre 2016 feiert also la grande nation ihre 59. Teilnahme am ESC, nur eine weniger als Deutschland. Während man noch bei der ersten Ausgabe 1956 leer ausging, folgte bereits 1958 der erste Sieg. Das war der Beginn einer großen Erfolgswelle, denn 1960, 1962, 1969 und 1977 folgten die nächsten Siege. Somit steht Frankreich mit 5 Siegen auf dem geteilten Platz 3, hinter Irland (7) uns Schweden (6), was die Menge an ESC-Erfolgen angeht. 

Auffällig dabei ist natürlich, dass ab 1977 scheinbar nichts mehr bei Frankreich funktioniert hat, da seit diesem Jahr kein Beitrag mehr gewann. Das hat natürlich mit dem in den 70-ern steigenden Stern Irlands und Großbritanniens zu tun, die alleine in den Jahren 1980-1997, acht Siege einfahren konnten. Als dann 1999 die Sprachregelung endgültig gekippt wurde, hatten auch andere Länder die Chance, in beliebten Sprachen zu singen. 

Diese Regeländerung war der Dolchstoß für Frankreich. Im neuen Jahrtausend kommt man auf 3 Top-Ten Plätze, das in 17 Veranstaltungen! Im selben Zeitraum wurde 8 Mal ein Platz außerhalb der Top-20 erreicht. Somit kann es nur noch aufwärts gehen, aber diesen Spruch sagt man zu Großbritannien schon seit 10 Jahren.

Frankreich ist auch dafür bekannt, die Teilnehmer zu benennen, anstatt das Volk bestimmen zu lassen. Nach den schwachen Ergebnissen bis 2013, entschied man sich 2014 für einen Vorentscheid. Der Gewinner von diesem erlangte sagenhafte 2 Punkte. 2015 bestimmte man wieder intern und konnte das Ergebnis tatsächlich verdoppeln, also 4 Punkte durch eine Parade auf dem Champs-Élysées bejubeln. Somit ist das Ziel für 2016 klar: 8 Punkte sind das Ziel!

Spaß beiseite, auch dieses Jahr entschied das französische Fernsehen (France 2) intern über einen Kandidaten. Heraus kam der 32-jährige Laurent Amir Khilfa Khedider Haddad. Weil das natürlich nicht fancy genug für den ESC ist, nennt er sich schlicht Amir. Wie vielleicht schon an dem Namen klar wird, ist er kein 0815 Franzose, sondern kann auf eine weit gefächerte Verschwandschaft  zurückblicken. Sein Vater ist Tuneser und seine Mutter hat selbst einen marokkanischen und spanischen Hintergrund. Er selbst wurde in Paris geboren, verbrachte aber einen Großteil seines Lebens in Tel Aviv.

Trotz seines für ESC-Verhältnisse hohen Alters, macht er erst seit kurzer Zeit Musik. Er hat ein abgeschlossenes Studium der Zahnmedizin und hat daher auch diese unfassbar gut gepflegten Zähne. 2013 nahm er dann an The voice spaßeshalber teil und schaffte den Einzug ins Finale. Danach folgten ein paar Anrufe und kaum aufgetaucht hat er seinen Traum erreicht: Den ESC. Er ist somit der erste männliche Solointerpret für Frankreich seit 2011. 


Hier also der französische Beitrag von Amir für den ESC 2016, J´ai cherché:


Das Lied startet mit einem ganz kurzen Streicherintro, nach dem sofort seine tiefe Stimme zu hören ist. Danach wird er nur durch Klavierakkorde und einer Gitarre begleitet. Im zweiten Teil des Verses, erhöht er seine Stimme und das Schlagzeug setzt im Off-Beat ein. Nun setzt der Refrain ein und er singt auf einmal auf Englisch! Auch die Instrumente kommen nun deutlicher zum Vorschein. Im Vers singt er wieder Französisch und der Offbeat setzt aus. Danach erklingt eine Variation des Refrains in etwas ruhiger Form, da die Instrumentierung bis auf den Beat wegfällt. Im nächsten Refrain ist allerdings wieder alles dabei. Die Bridge ist auf Französisch und auch alle Instrumente nehmen daran teil. Der Refrain wird nun erneut 3 Mal wiederholt und wie es sich für einen guten ESC-Beitrag gehört, verschönert er es mit einer anderen Umspielung in jedem Refrain. 

Das wohl auffälligste ist wohl neben der Sprache das breit gezogene Youuuuuu, und genau daran scheiden sich die Geister. Für manche wird es dadurch erst besonders gut, andere können den Song deshalb nicht ausstehen. Amir hat selbst an dem Song mitgeschrieben und singt einmal mehr auf Grund der Message den Refrain auf Englisch. 

Die Geschichte bzw. Message ist schnell erzählt. Es geht um etwas, was einen sehr glücklich macht. In seinem Fall war es die Musik, die ihm vom stupiden Zahnsäubern abgebracht hat. Im Video wurde das durch die beiden Personen auch sehr gut dargestellt. Das Mädchen, dass misshandelt wurde und mit Hilfe von Taekwondo seine Stärken zurück erhält und sogar bei Olympia starten darf, oder der Junge aus ärmeren Verhältnissen, der dank des Balletts eine Karriere und eine Chance bekommt. In diesen Fällen bezieht sich das Youuuuuu nicht auf die Musik, sondern eben auf den Kampfsport und den Tanz.

Das Video ist wirklich schön anzusehen, aber es wäre nicht der ESC, wenn nicht irgendjemand ein Plagiat darin sehen würde. In diesem Fall bin ich das, auch wenn ich es eher als Inspiration bezeichnen würde. Die Art, wie das Video nämlich gemacht wurde erinnert stark an Fucking Perfect von P!nk. Natürlich ist das nicht dramatisch und es spricht ja für den Künstler, dass er am Beispiel der noch härteren Message, ein ähnliches Video dreht.

In Fankreisen gilt dieser Song als der wohl einzige, der noch die Katastrophe Russland verhindern kann. Wenn das allerdings die letzte Waffe der Welt gegenüber Russland ist, braucht man gar nicht zum ESC antreten. Das Lied gefällt mir super super gut und es wird auch den Sommer in meiner Playlist überleben, aber als Livesong eignet er sich einfach nicht. Russland hat auch ein radiofreundliches Lied, wird aber in der Präsentation aller Voraussicht nach ähnlich viel ausgeben wie die Ukraine, um eine spektakuläre Liveperformance zu erlangen. Von Frankreich hört man zur Präsentation noch relativ wenig, kein gutes Zeichen. 

Für mich ist klar, dass er das beste Ergebnis für Frankreich seit 2009 holen wird (8. Rang), wahrscheinlich sogar noch mehr. Aber der Sieg scheint mir unrealistisch. Live kann er den Song jedenfalls super singen und performen. Von daher braucht sich Frankreich keine Gedanken in Richtung 20+ machen, dass sollten eher deutsche Fans. Frankreich hat sich für den richtigen Weg entschieden, aber leider ist umdrehen eine Option.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen