Es zieht sich wie ein roter Faden durch die jüngere Geschichte des deutschen ESC-Vorentscheids, ähnlich wie die schlechten Platzierungen. Ein neuer Skandal, ein neues Jahr und das alte Bild: Ein erneut bloß gestellter NDR.
Einer der fünf Kandidaten für Unser Star für Kiew, hat seine Teilnahme "freiwillig" zurückgezogen. Sadi, mit bürgerlichen Namen Wilhelm Richter, galt international als Favorit die Show im Februar zu gewinnen. Jedoch berichtete die Bild am 16.1 als Erstes, dass Sadi Ärger mit der Justiz Dortmund habe. Er habe mit einer Frau zusammen als Putzdienst gedeckt, das Haus eines Düsseldorfers leergeräumt, so das Boulevard-Blatt. Darüber hinaus habe er eine Uhr auf Ebay versteigert, das Geld einkassiert, die Uhr aber nie ausgeliefert. So müsse sich der 19-jährige Pottler nicht zum ersten Male dem Jugendrichter stellen.
Das Echo aus dem ESC-Universum folgte promp und bereits einen Tag später gab der NDR bekannt, dass Sadi kein Teilnehmer mehr sei. "Berichte über mich verursachen gerade so viel Trubel - das möchte ich erst einmal klären und verarbeiten. Ich bin selber verwundert, was mir vorgeworfen wird. Ich hatte mich total auf die Teilnahme gefreut, möchte das aber nicht unter diesen Umständen machen. So kann ich nicht unbeschwert auftreten. Deshalb bin ich am 9. Februar schweren Herzens in Köln nicht dabei.", so Sadi.
Der NDR, Lob an dieser Stelle, versuchte diese Nachricht so schnell wie möglich zu verdauen und nominierte eine Künstlerin nach. Dabei ist Yosefin Buohler auf gar keinen Fall ein unbeschriebenes Blatt. Die 21-jährige Halbschwedin, hatte die Musik schon lange für sich entdeckt. Sie stand mit 13 im RTL-Finale von Das Supertalent, tourte darauf mit einem Musical durch Deutschland und lebt seit her in Stockholm. Die Kölnerin sang beim denkwürdigen Länderspiel Deutschland Schweden (Entstand 4:4) die deutsche Nationalhymne. Sie selbst ordnet sich dem Pop zu, wobei ihre musikalischen Vorlieben eher im Rap oder Metal zu liegen scheinen.
Für mich ist sie ein starker Ersatz, für den nicht minder starken Sadi. Ein geschlechtliches Ungleichgewicht entsteht durch diese Neubesetzung zwar (4 Frauen, 1 Mann), aber in Zeiten der Gleichstellung braucht man keine Quoten sondern Leistung. Wenn die Frauen in dieser Auswahl das starke Geschlecht sind, dann ist das eben so. Sadi wird sich dagegen auf die Zunge beißen. Wer seine Chance so leichtfertig vergibt und nicht von Anfang an offen mit seiner (hoffentlich) Vergangenheit umgeht, dann das ganze als Trubel der Medien bezeichnet, der verdient eine solche Abfuhr. Ob er tatsächlich schuldig gesprochen wird, steht noch nicht fest, jedoch spricht sein Rückzug eine deutliche Sprache.
Sadi ist nur die Fortsetzung der Unruhe bei deutschen Vorentscheiden. Eine Zeitreise.
2013: Das Cascada-Gate
Die Vorfreude war groß, als einer der international erfolgreichsten deutschen Gruppen, ihre Teilnahme am Vorentscheid bekannt gab. Es war das Jahr 1 nach der Zusammenarbeit von ARD und Stefan Raab. Der Vorentscheid war hochwertig besetzt und lieferte eine gute Show ab. Natalie Horler, die Frontfrau Cascadas, sah zwar etwas unglücklich mit ihrem Kleid aus, begeisterte allerdings trotz Textunsicherheiten die Halle. Im dreiteiligen Voting konnte sie sich schließlich dank der Jury gegen LaBrassBanda verteidigen. Der Skandal begann, als die Ohren der internationalen Bubble auf das Lied stieß. Denn das hatte in einigen Ohren Erinnerungen an Loreen und der Swedish House Mafia geweckt. Vereinzelt wurde gar eine absichtliche Ähnlichkeit ge(t)wittert, also ein Plagiat. Danach begann für Cascada ein Spießrutenlauf nach Malmö zum ESC. In jedem Interview wurden Fragen nur zu diesem Thema gestellt und der NDR gab gar eine unabhängige Untersuchung in Auftrag, die Cascada musikfachlich für unschuldig erklärte. Doch das gemeine Volk hatte die Mistgabeln schon aus dem Keller geholt und angezündet. Beim ESC konnten Cascada ihrer Favoritenrolle bei weitem nicht gerecht werden und landeten abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.
2015: Das Was-Kümmerts-Mich-Gate
Die Mutter aller ESC-Vorentscheidsskandale, das worst case scenario. 2015 trug man einen ähnlichen Vorentscheid aus wie 2014, bei dem alles glatt lief. Doch wir alle können uns noch an das Finale erinnern. The Voice Sieger Andreas Kümmert gegen die bis dahin unbekannte Ann-Sophie. In der finalen Abstimmung gab es einen lawinengleichen Sieg für den ruhigen Rocker. Babsi Schöneberger war glücklich und übergab ihm die letzten Worte. In diesen zeigte er, dass der Gewinn seine größte Niederlage war, denn seine Maske viel. Ohne jegliches Selbstvertrauen, ängstlich und krank sagte er live auf der Bühne, dass er Deutschland nicht vertreten könne. Babsi löste die Situation recht gut und Ann-Sophie war glücklich, zweite Wahl zu sein. Dann begannen die großen Diskussionen. Wenn er nur kleine Konzerte spielen will, wieso nimmt er dann vor dem Millionenpublikum teil? Drängt ihn sein Management? Hat er eine psychische Krankheit? Hätte er die Reißleine früher ziehen müssen?
In der Süddeutschen Zeitung sagte er später, dass er durchaus gewillt war, Deutschland zu vertreten. Jedoch hätten ihn kurz vor dem Auftritt üble Sprüche im Internet verletzt und ihm wurde klar, dass das nur zunehmen würde, wenn er nach Wien fahre. Er habe Depressionen, Angstzustände und Selbstmordgedanken gehabt, die ihn zu einer Therapie gebracht hätten. Ann-Sophie, die nur von gut 20% der Voter gewählt wurde, ging in Wien als 27 klanglos unter. Rang 27 wird einige Zeit in den Geschichtsbüchern bestehen bleiben, da die EBU nur noch 26 Länder im Finale haben möchte. Und der Herr Kümmert? Der macht das eckelhafteste, egozentrischte und traurigste überhaupt: er nutzt seine überstandene Erkrankung, um mehr seiner neuen Platte zu verkaufen. Jeder bekommt das, was er verdient.
2016: Das Naidoo-Gate
Der vorläufige Höhepunkt bis Sadi. Einer der bekanntesten deutschen Sänger, Xavier Naidoo, wurde intern vom NDR als Repräsentant von 'Schland auserwählt. Dies führte jedoch zu einer Empörungswelle mit 2 Argumenten.
1. Niemand darf ohne einen Vorentscheid Deutschland beim Esc vertreten! (Außer Helene Fischer)
2. Erst recht kein rechter, vor Nazis auftretender, das Grundgesetz nicht anerkennender Reichsbürger.
Während Punkt 1 relativ unproblematisch ist, hat der zweite Punkt einiges an Potenzial in sich. Wie dieses Video zeigt, präsentierte er vor Reichsbürgern in Berlin unhaltbare Verschwörungstheorien und stand seit her stark in der Kritik. Während sich also die internationale ESC-Presse begeistert gab, ging ein wahrer Shitstorm auf die ARD nieder. Nach einigen Tagen folgte dann das wahre Chaos: Der NDR schmiss Naidoo wieder von Bord. Somit konnte sich das Opfer als Täter darstellen, erhielt unfassbare Rückendeckung aus der Musik und der NDR zeigte sein rückratloses Gesicht. Wenn man einen umstrittenen Künstler wie Naidoo nominiert, muss man von einem Shitstorm ausgehen. Dann aber den Schwanz einzuziehen war peinlich, schwach und würdelos. Das Ende des Liedes war der letzte Platz Jamie Lees und eine beleidigte Musikibranche, die sich wohl auf Jahre vom ESC fernhalten wird.
Mit Sadi haben wir nun also bereits unseren jährlichen Skandal. Dieser wurde zum Glück so zeitig aufgeklärt, dass die Wellen nicht zu hoch schlagen. Außerdem sind andere Länder auch recht fleißig heuer, beim produzieren von Problemen. In Ungarn gab es mehrere Disqualifikationen, ebenso in Georgien, wo ein Lied im Vorentscheid antreten wird, dass nicht in Kiew auftreten darf.
Somit glaube ich, dass Yosefin ein exellenter Ersatz ist und der NDR keine andere Wahl hatte, als Sadi zum Rückzug zu bewegen. Hoffen wir, dass es nun ruhig bleibt und uns am 9.2 zwei Hammersongs erwarten!
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